Tuerkei - Ein Land jenseits der Klischees
so häufig leisten. In der Meyhane wird diskutiert und rezitiert, getrunken und gegessen. Man kann zwar auch zu zweit hingehen, doch in aller Regel sitzen größere Gruppen um den Tisch. Das Wichtigste in der Meyhan ist der Raki. Was in Frankreich der Pastis, in Griechenland der Ouzu ist, ist in der Türkei der Raki. Es gibt zwar auch Wein, es gibt gute Biere, aber Raki ist eigentlich das Synonym für Alkohol. Wer Alkohol trinkt, trinkt Raki. Weil zu einer gepflegten Trinkkultur eine gute Grundlage im Magen gehört, gibt es in der Meyhane die sogenannte Raki-Tafel. Das ist eine Vielzahl von Vorspeisen, die zum Raki gereicht werden.
Entweder auf einem kleinen Wagen oder auf einem riesigen Tablett schleppen die Kellner die Meze, die Vorspeisen, an jeden Tisch, und die Gäste wählen aus, was sie haben wollen. Kalte Vorspeisen von Auberginensalat bis zu kleinen Krabben, gefüllte Muscheln, mit Käse gefüllter Blätterteig oder gebackenen Tintenfisch, die Raki-Tafel ist die eigentliche Krönung der türkischen Küche. Zu den Vorspeisen fließt der Anis-Schnaps meist reichlich, und die Debatten werden immer lebhafter. Ein Abend in der Meyhane ist ein Abend unter Freunden, zumeist jenseits der Familie. Auch wenn Männer rein zahlenmäßig die Meyhanes dominieren, sind sie doch kein reines Männerrevier. Frauen sind genausogern gesehen und halten auch beim Raki in der Regel ordentlich mit. Die Meyhane ist der Ort, wo die Welt gerettet wird und keine Theorie zu abwegig ist, um nicht ausführlich erörtert zu werden. Dabei weiß der erfahrene Meyhane-Besucher seinen Raki-Genuss so zu dosieren, dass die Schwelle zur offenen Betrunkenheit nicht überschritten wird. Deshalb muss eben auch immer reichlich gutes Essen auf dem Tisch stehen. In der Tradition der Meyhane kommt nach den Vorspeisen der Fisch. Ein gebratener Fisch, nicht zur Unkenntlichkeit filetiert, sondern am Stück, so dass auch der Kopf noch dran ist, landet im Laufe des Abends vor jedem Diskutanten und wird mit Genuss ganz nebenbei verzehrt.
Ein Abend in der Meyhane ist nicht ganz billig, weshalb die Meyhane auch kein Ort ist, an dem man, wie in einer Berliner Kneipe, jeden Abend auftauchen kann. Raki-Abende sind etwas Besonderes, sie werden zelebriert und genossen. Hier werden Leib und Seele gestärkt. Ein Kollege aus New York, der sich auch mit Berliner Kneipen gut auskennt, erzählte, dass er immer, wenn ihn die Verzweiflung über die politische Situation in der Türkei zu packen drohte, in die Meyhane ging. Ein Abend dort gebe ihm immer die Hoffnung auf eine gute Zukunft für die Türkei zurück. Ein Land mit dem Esprit der Meyhanes kann nicht scheitern.
Geheimnisse der türkischen Küche
Das Geheimnis der türkischen Küche ist ihr Variantenreichtum. Das liegt daran, dass in Anatolien fast alles wächst, das Meer fast überall nicht sehr weit ist und die türkische Küche sich aus kulinarischen Genüssen von Zentralasien über Persien, Mesopotamien bis zum Balkan bedient hat. Aus Zentralasien brachten die Viehzüchter ihre Milchprodukte, von den Byzantinern stammen viele Fisch- und Geflügelgerichte und aus den arabischen Ländern raffinierte Süßspeisen. Der Balkan steuerte die Teigwaren bei, und das Mittelmeerklima bietet viel frisches Obst und Gemüse, dazu die unverzichtbaren Oliven und frische Kräuter.
Ein typisch türkisches Frühstück besteht aus Weißbrot, Oliven, Schafskäse und Honig. Dazu wird in der Regel Tee getrunken. Auf dem Land gibt es fast immer auch eine heiße Suppe zum Tagesauftakt. Türkeibesucher müssen allerdings auf ihre Gewohnheiten in aller Regel nicht verzichten. Die Hotels am Mittelmeer und in Istanbul haben sich längst den Essgewohnheiten ihrer Gäste angepasst und bieten reichhaltige Frühstücksbüffets, bei denen der sonst in der Türkei verpönte gebratene Speck vom Schwein so wenig fehlt wie die alternative Müslimischung.
Beim Essengehen unterscheiden die Türken grundsätzlich zwischen dem Lokanta und dem Restaurant. Lokantas besucht man, um satt zu werden. Sie sind keine Orte der Geselligkeit und auch nicht als Ausgehlokale für den Abend gedacht. Sie bieten vor allem einen Mittagstisch an und haben den großen Vorteil, dass alle Gerichte in einer Vitrine ausgestellt sind und man sich als sprachunkundiger Gast nicht durch eine Speisekarte quälen muss, sondern einfach auf das gewünschte Gericht zeigen kann. Zu Hackfleischbällchen und verschiedenen Gemüsesorten gibt es dann gesondert Reis (Pilav) oder
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