Tuerkei - Ein Land jenseits der Klischees
Beerdigungen von Soldaten, die bei der Bekämpfung der PKK gefallen sind, geraten regelmäßig zu großen Fernsehereignissen, bei denen die Volksseele hochkocht, wenn um die Sehit, also die Märtyrer, getrauert wird. Noch verheerender als diese Art Berichterstattung über gesellschaftliche Großkonflikte sind manche fiktionale Leistungen. Die erfolgreichste Serie des türkischen Fernsehens, »Kurtlar Vadisi«, also »Tal der Wölfe«, die auch in Deutschland in der Kinofassung »Irak – Tal der Wölfe« großes Aufsehen erregte, ist ein übles nationalistisches Gebräu, in dem der Held sein türkisches Vaterland gegen eine Mafia von Kryptojuden, Christen und anderen üblen Ausländern verteidigt und alle Stereotypen nationalistischer Verschwörungstheorien bedient. Der Kinofilm präsentiert eine Heldenfigur, die zu einer nationalistisch-islamistischen Synthese mutiert, und damit zu den schlimmsten Befürchtungen Anlass gibt.
Zeitungen
Anders als in Deutschland, wo das Kartellamt die Übernahme von SAT 1 /Pro 7 durch Springer verbot, gehören die großen Fernsehkanäle in der Türkei alle zu Medienimperien, die gleichzeitig auch den Printsektor beherrschen. Das größte dieser Medienimperien ist die Dogan-Holding, der neben vielen anderen Zeitungen die auch in Deutschland bekannte »Hürriyet« gehört und die den Fernsehkanal D betreibt. In die Dogan-Holding hat sich übrigens der Springer-Verlag eingekauft, und niemand anderes als »Bild« -Chefredakteur Kai Diekmann sitzt seit Jahren im Vorstand der Dogan-Holding. Deshalb ist die »Bild« -Zeitung übrigens auch das einzige Blatt im Springer-Konzern, das eine Mitgliedschaft der Türkei in der EU befürwortet, und deshalb erscheinen auch in »Bild« und »Hürriyet« immer mal wieder gemeinsame Artikel der beiden Chefredakteure Kai Diekmann und Ertugrul Özkök, in denen sie zum wechselseitigen Verständnis zwischen beiden Völkern aufrufen. Das ist grundsätzlich natürlich nichts Schlechtes, hat aber eine klare kommerzielle Grundlage.
Kommerzielle Interessen und unmittelbare politische Einflussnahme sind in der türkischen Medienlandschaft insgesamt noch direkter und unverblümter als in Deutschland. Bis in die 1980 er Jahre gehörten die großen, traditionsreichen Zeitungen wie »Hürriyet«, »Milliyet«, »Sabah« oder »Cumhuriyet« noch klassischen Verlegerfamilien. Von allen diesen Zeitungen ist nur »Cumhuriyet« als unabhängiges Blatt übriggeblieben. Alle anderen wurden von größeren Industrieholdings aufgekauft und nicht zuletzt auch in den Dienst dieser Holdings gestellt. Dabei ging es zumeist darum, in den Blättern Stimmung zu machen, um für den eigenen Konzern Staatsaufträge zu ergattern oder preiswert an ehemalige Staatsunternehmen heranzukommen, die in den 1980 er und 90 er Jahren privatisiert wurden. Beispielhaft dafür ist gerade das Dogan-Imperium. Der alte Aydin Dogan hat es, nicht zuletzt mit Hilfe der von ihm in den 1980 er Jahren gekauften »Hürriyet« in knapp 40 Jahren von einem armen Gebrauchtwagenhändler in Kastamonu, einem Provinznest in der Nähe des Schwarzen Meeres, zum drittgrößten Unternehmen des Landes gebracht. Mit politischem Druck, den er über »Hürriyet« auf diverse Regierungen ausüben ließ, sicherte er sich in den Privatisierungsrunden Filetstücke wie eine landesweite Tankstellenkette und diverse Staatsaufträge, die ihn zu einem der reichsten Männer des Landes machten.
Diese direkte Instrumentalisierung der Presse ist dem türkischen Journalismus schlecht bekommen. Viele gute Leute wurden gefeuert oder sind von selbst gegangen. Immer wieder hat es Versuche gegeben, neue unabhängige Zeitungen zu gründen, die aber mangels Kapital meistens wieder eingingen, bevor sie sich einen größeren Leserstamm erarbeiten konnten. Trotzdem gibt es immer wieder neue Versuche. Seit mehreren Jahren hält sich nun die linke Birgün, und mit Taraf ist 2007 ein weiteres Blatt gestartet, das zu keinem großen Konglomerat gehört. Es gibt darüber hinaus in der Türkei auch zwei ganz ordentliche englischsprachige Tageszeitungen, die »Turkish Daily News« und »Today’s Zaman«, die jedem politisch interessierten Türkeibesucher die Orientierung enorm erleichtern.
Bücher
Ganz anders sieht die Situation auf dem Buchmarkt aus. Da die Gründung eines Verlages weit weniger kapitalintensiv ist als die Gründung einer Zeitung, präsentiert sich die Türkei mit einer überaus vielfältigen und bunten Verlagslandschaft. Wenn die
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