Tuerkei - Ein Land jenseits der Klischees
Mittlerweile kicken beide gemeinsam einmal in der Woche in einer Freizeitmannschaft, und Mehmet bietet allen seinen Freunden großzügig an, ihnen bei Schwierigkeiten mit der Polizei Beistand leisten zu können.
Autoliebe
In unserer Straße, drei Häuser weiter, ist ein beliebtes Friseurstudio. Einer der dort angestellten noch jungen Haarkünstler kam kürzlich erstmals mit einem eigenen Auto zur Arbeit. Weil er sein Gefährt fast immer gegenüber unserem Haus parkte und ich aus meinem Büro fast zwangsläufig mitbekam, wenn er zu seinem Auto ging, wurde ich mehr oder weniger unfreiwillig Zeuge einer großen Liebe. Wenn er ausstieg, streichelte er liebevoll das Dach des Wagens und drehte sich auf dem Weg zum Friseursalon noch dreimal zu seinem Auto um. Während der Arbeit kam er immer mal wieder gucken, ab und zu drehte er eine Runde um den Block. Dabei handelte es sich nicht etwa um einen Sportwagen oder wenigstens einen schönen alten Mercedes, sondern um einen ganz banalen, ziemlich abgetakelten Broadway-Renault.
Doch das machte nichts, Hauptsache es fuhr. In der Liebe zum Auto sind sich Deutsche und Türken, speziell die Männer, ziemlich ähnlich. Nur, dass in der Türkei noch eher die Mentalität der 60 er und 70 er Jahre vorherrscht. Das Auto gilt am Bosporus nicht als Verursacher des Waldsterbens, als Feinstaubabsonderer oder CO 2 -Schleuder, nein, es ist noch gänzlich ungebrochen ein Statussymbol, das Sinnbild der individuellen Freiheit.
Autos gehören zu den begehrtesten Konsumgütern. Sie sind für türkische Verhältnisse recht teuer und – gemessen an der Bevölkerungszahl – immer noch eher selten, auch wenn Istanbul schon seit Jahren im Stau erstickt. Verlässt man jedoch die Ballungszentren, zeigt sich auf den Autobahnen und Überlandstraßen, dass immer noch viel mehr Menschen im Bus als mit dem eigenen PKW reisen. Diejenigen, die es zu einem Auto gebracht haben, sind dann aber auch die Könige der Straße. Egal welche Farbe die Ampel zeigt, grundsätzlich haben Autos im Bewusstsein ihrer Fahrer eigentlich immer Vorfahrt. Es gibt natürlich Geschwindigkeitsbegrenzungen, doch tatsächlich regelt sich die Geschwindigkeit nach dem Verkehrsaufkommen. Wenn die Straße frei ist, wird Gas gegeben.
Ein amerikanischer Bekannter, von Hause aus strenge Geschwindigkeitslimits gewohnt, war nahe am Herzinfarkt, als er aus dem Taxi ausstieg, das ihn vom Flughafen zum Hotel gebracht hatte. Bis 130 km/h habe der Tacho auf der großen Uferstraße vom Flughafen in die Stadt angezeigt, erlaubt seien 70 km/h gewesen, erzählte er völlig konsterniert. Selbst Busfahrer entdecken prompt den Rennfahrer in sich, sobald die Straße vor ihnen frei ist, und geben Gas, dass einem als Fahrgast Hören und Sehen vergehen kann. Doch die Türken nehmen das gelassen. Kaum jemand regt sich auf, und kaum ein Fußgänger rechnet am Zebrastreifen oder an der Ampel damit, dass ein Auto wirklich anhält. Andererseits käme auch kein Fußgänger auf die Idee, an der Ampel auf Grün zu warten, wenn die Straße frei ist. Allerdings steigt jedes Jahr die Zahl der Verkehrstoten, besonders gefürchtet sind die Unfälle mit Reisebussen, bei denen beinahe jedes Wochenende Menschen sterben. Wer es sich leisten kann, bucht deshalb einen Platz bei den teuren Linien, weil die garantieren, dass die Fahrer ihre Zeitlimits einhalten und tatsächlich die Geschwindigkeitsvorschriften respektieren.
Doch wer im Verkehr in Istanbul die Nerven behält und auf dem Land die nötige Vorsicht walten lässt, kann mit dem Auto immer noch Reisen unternehmen, die in Deutschland so längst nicht mehr möglich sind. Die Landstraßen haben sich in den letzten Jahren erheblich verbessert, und in den wenig befahrenen Gegenden, von denen es in der Türkei einfach immer noch sehr viele gibt, lässt es sich deshalb angenehm durch eine wunderbare Landschaft fahren. Man muss sich nur Zeit nehmen.
Die Meyhane – Wo Politik und Essen zusammenfallen
Eine klassische Meyhane besteht in der Regel aus einem großen, holzgetäfelten Raum, vielen Tischen und einer kleinen Theke, hinter der die Kellner in der Küche verschwinden. In den bekannten Meyhanes in Istanbul hängen die Wände voller Zeitungsausschnitte und sind mit Porträts berühmter Gäste gepflastert. Meyhanes sind eine türkeitypische Mischung aus Wiener Kaffeehaus, Berliner Kneipe und Pariser Restaurant. Die meisten Türken gehen leidenschaftlich gern in die Meyhane – nur kann man es sich in der Regel nicht
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