Türme Der Dämmerung
sein, wenn er sie in die Hände bekommt.«
Creslin lacht leise.
»Das findest du lustig, ja?«
»Nein. Nur, dass ihr mich für gefährlich haltet, gar für bedrohlich mit einer Waffe, für eine Art Verbrecher. Dabei habe ich nichts anderes getan, als in der Schenke Most zu trinken.«
Keiner der beiden Gardisten antwortet, doch Creslin spürt, dass in beiden die Anspannung gestiegen ist. Vielleicht hätte er lieber den Mund halten sollen. Doch Schweigen hätte wie ein Schuldeingeständnis ausgesehen.
Lang dauert der Marsch auf den Hügel nicht. Auf der Anhöhe steht ein quadratisches Gebäude.
»Da hinein.«
Ein schneller Blick nach rechts zeigt Creslin eine weiße Linie, die Hauptstraße, auf der er vor kurzem erst Fairhaven betreten hat.
»Syrienna? So früh schon mit einem Krakeeler aus der Schenke?« Ein dünner Mann in schwarzem Leder sitzt hinter einem niedrigen Tisch. Beim Sprechen ziehen sich die Lippen von den Zähnen zurück, so dass er alt wirkt, obgleich Creslin bezweifelt, dass er älter als die Frau ist.
»Rufe Gyretis.«
»Aber!«
»Rufe Gyretis oder …«
»Drohst du mir etwa, Teuerste?«
»Nein. Aber ich könnte diesem Burschen sein Schwert zurückgeben und dann untätig zuschauen.«
»Das könnte ein Problem geben.«
»Ihr Schwarzen könnt euch gegen nichts anderes als einen anderen Magier verteidigen«, höhnt Harlaan.
»Dem ist nicht ganz so, Harlaan. Möchtest du auf der Stelle wieder einen Bart im Gesicht haben?«
Der junge Gardist schluckt.
»Rufe doch einfach Gyretis.«
»Darf ich ihm sagen, weshalb?« fragt der Schwarze Magier.
»Unerlaubte Ausübung Schwarzer Magie, Besitz und Einsatz kalten Stahls in Form einer Klinge Westwinds.«
Als der Schwarze Magier Creslin mustert, spürt dieser unsichtbare Finger an seinen Gedanken.
»Du hast verdammtes Glück, dass er im Grunde unausgebildet ist, Syrienna. In ihm schlummert genügend Kraft für drei Schwarze. Pech für ihn.«
Creslin runzelt die Stirn. Kraft? Schwarze Macht? In ihm? Worüber reden diese Leute? Gewiss ist seine bescheidene Fähigkeit, die Winde herbeizurufen – oder Most in einen Apfel zurückzuentwickeln – kein Grund zu Neid oder Sorge.
»Wo ist Gyretis?«
»Er ist bereits verständigt.« Der Mann in Schwarz lächelt verschlagen.
Creslins Lider sind schwer, und er möchte gähnen. Doch seine Knie zittern, und er vermag sich kaum noch zu halten, um nicht vor Erschöpfung zu Boden zu sinken. Gleichzeitig leistet er in Gedanken mit aller Kraft Widerstand gegen den Schlaf, aber … der Fußboden ist tief und schwarz.
XXXIV
» S eid ihr sicher, dass er der Betreffende ist?« fragt der Erzmagier.
»Wie viele Männer gibt es, die Winde lenken und Klingen aus Stahl benutzen können?«
»Warum könnt ihr ihn nicht einfach töten?«
Die Fragen kreisen über dem Tisch mit den in Weiß gekleideten Männern wie Aasgeier über einem Kadaver.
»Wir wissen, dass die Tyrannin von Sarronnyn ein Lebensband zu ihm unterhält – vorausgesetzt, dass es sich um denselben jungen Mann handelt. Was geschieht, wenn er stirbt?«
»Dann stirbt die Person mit dem Lebensband natürlich ebenfalls.«
»Und?« fragt der Mann in reinem Weiß, der einem Skelett ähnelt.
»Das bedeutet, die Tyrannin weiß, dass er tot ist. Und dann?«
»Die Tyrannin und die Marschallin vermuten dann, dass er sich in Fairhaven aufgehalten hat«, antwortet der Erzmagier.
»Du machst dir Sorgen wegen zweier Weiber jenseits der Westhörner?«
»Ich mache mir Sorgen wegen der zwei Herrscherinnen, die es noch in Candar gibt, und die über Heere verfügen, die diesen Namen verdienen. Ferner erinnere ich mich genau, was der Kundschaftertruppe zustieß, die du so wirksam ermutigt hattest, Hartor. Außerdem ist die Tyrannin die Kusine des Herzogs von Montgren – wenngleich auch nur durch Heirat.«
»Oh …«
»In der Tat. Wenn dieser Bursche aber im Laufe der Zeit ständig schwächer wird und schließlich stirbt, ja dann …« Er zuckt mit den Schultern. »Das wäre wohl nicht so schlimm. Doch warum jetzt der Marschallin oder Ryessa trotzen, wenn es nicht nötig ist?«
»Ich mache die Zelle fertig«, bietet Hartor an.
Der Erzmagier seufzt. »Gebrauchst du nie deinen Verstand? Wenn seine Lebenszeichen an einem Ort verharren, ist das ein klarer Hinweis. Außerdem wissen wir noch nicht mit letzter Gewissheit, wer er wirklich ist. Später können wir Gerüchte über die barbarische Art westlicher Weiber ausstreuen, die einen armen Jungen in den
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