Türme & Tote (Schundheft) (German Edition)
nächstes Opfer sitzen.
Sie zählt gerade siebzehn Jahr
Und ahnt noch nichts von der Gefahr.
Altmann war versucht, laut aufzuheulen. Mein Gott, was reimte er da für einen Mist zusammen! Es war nie gut, einen Fall aus der schnöden Wirklichkeit in die zauberhafte Welt der Poesie zu übertragen, das hätte er als erfahrener Kriminaldichter wissen müssen. Aber er langweilte sich schrecklich. Seit drei Stunden saß er wieder hier im Café der Bäckerei Leim, drei Stück Kuchen beschwerten seinen Magen, wo sie in einem Meer aus Milchkaffee schwammen. Aber der Titel des neuen Opus war schon mal gut. »Die Kaufbeurer Meisterschaften im Turmspringen – Ein Kriminalgedicht«.
Leim selbst hatte vorhin kurz in den Gastraum geschaut, aber so getan, als sei Altmann nichts weiter als ein zufälliger Gast. Du wirst mir schon noch nervös, Bürschchen, dachte der Detektiv grimmig und bestellte erneut Kaffee, die gefühlte zehnte Tasse.
Seine Nerven. Er spürte, dass er nicht mehr der Jüngste war, obwohl er die Meinung vertrat, Jugend sei keine Sache der Physis, sondern des Kopfes. Und da drinnen fühlte er sich noch wie ein Füllen, jedenfalls manchmal. Nicht heute, nicht jetzt. Die Enthüllungen der Sekretärin über Schneiders mögliches Interesse am Tod seiner Schwester gefielen ihm immer weniger. Aber warum hätte ihn der Anwalt engagieren sollen, Leim als Mörder zu entlarven? Eben. Genau deshalb. Um von sich selbst abzulenken. Kein vernünftiger Mensch würde auf die Idee kommen, dass der Täter einen Detektiv damit beauftragt, den Täter zu fangen.
Gegen vier trat Leim aus seiner Backstube in den Verkaufsraum, flüsterte einer seiner Angestellten – nicht schlecht, dachte Altmann, die wäre schon eine Sünde wert – etwas ins Ohr und lachte so laut und dreckig, dass man es im Café hören konnte. Dann verließ er den Laden. Schnell warf Altmann ein paar Scheine auf den Tisch, stand auf und folgte dem Bäcker.
Leim schien es nicht eilig zu haben. Er trug legere Freizeitkleidung, schlenderte an den Läden in der Kaiser-Max-Straße vorbei, blieb hier und da stehen, besah sich die Auslagen, grüßte Passanten, mit einigen redete er sogar ein paar Worte. Ein geachteter Geschäftsmann, der bestimmt jeden Sonntag am Honoratiorenstammtisch saß und seine Bierchen trank. Zum Kotzen, dachte Altmann.
Wo er wohl hinging? Zu einer seiner Geliebten, mutmaßte der Detektiv, zu dieser Sekretärin vielleicht, aber sie dürfte nicht die einzige sein. Jetzt passierten sie den Klostergarten, Leim beschleunigte seinen Gang, blieb auch nicht mehr stehen. Aha. Er steuerte auf die St.-Blasius-Kirche zu! Altmann lief es eiskalt über den Rücken.
Ein neuer Freund
Meine Fresse, wieso erfindet keiner ein Fahrrad ohne Kette? Bis ich das Ding drauf habe, vergehen mindestens fünf Minuten, also eine halbe Ewigkeit. Meine Hände sind voller Öl und zittern wie die von diesem Altmann, nehme ich mal an, keine Sau hilft mir, Kaufbeuren wird anscheinend nur von unhöflichen Kerlen bewohnt! Hm, bis auf einen vielleicht...
Als mein Bike endlich wieder fahrtüchtig ist, rufe ich Gero an. Er meldet sich sofort. »Aber hallo... Klar hab ich Zeit... jetzt sofort?... ich dachte eher abends?... nee, geht in Ordnung. Ich sattel meinen Panda und bin schon fast beim Roma. Du kriegst auch den Nussknackerbecher.«
Aha, fährt auch Panda. Irgendwie ist der Panda schon fast das Wappentier von Kaufbeuren.
Sorry, aber auch eine taffe Lady wie ich hat mal ihre schwachen Momente. Ich brauche grad jemanden zum Reden, die Ninjanummer war ne Spur zu heftig für mich, ich darf mir gar nicht vorstellen, was hätte passieren können. Aber wenigstens weiß ich jetzt, dass Joey und seine Kumpane knietief in der Sache mit Toby drinstecken.
Wow, der ist ja sogar pünktlich! Und sieht schick aus, das muss man ihm lassen!
»Schon gewählt?«, fragt er und setzt sich. »Dein Anruf kam einigermaßen überraschend, hab auch nur ein Stündchen Zeit. Aber ich denke mal, das ist hier nur die Ouvertüre für ein prickelndes Musical, okay?«
Was quatscht der da? Musical? In so einen Scheiß geh ich nicht mal rein, wenn Madonna nackt auf dem Tisch tanzen würde.
Gero lacht. Schöne Grübchen hat er... »Entschuldigung, ich rede immer so musikalisch. Hätte ich auch gerne studiert, aber hat nicht ganz gereicht. Bisschen Orgel und halt der Chor. Wir haben nachher Probe, deshalb der Zeitdruck.«
Okay, versteh ich. Wir bestellen uns Erdbeerbecher und schweigen uns an. Es
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