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Turils Reise

Turils Reise

Titel: Turils Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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verwest, zerstückelt, zerbissen, wie Abfall weggeworfen. Niemals mehr wieder würde die Außeneinheit die Größe der Marime erleben. Nur die Erinnerung würde glimmen, allmählich schwächer werdend, bis sie endgültig verging.
    Marime waren sehr widerstandsfähig. Es würde Jahre dauern, bis er sich selbst vergaß.
     
    Überall im Kahlsack wurden sich Marime ihrer selbst bewusst. Sie unterdrückten ihre Kampfeswut, diese beste ihrer Eigenschaften, und besannen sich dessen, was Queresma sie gelehrt hatte. Ihre Schlachttugenden würden erst dann wieder zum Einsatz kommen, wenn es notwendig war. Doch zuerst würden sie zum Treffpunkt reisen und Queresma in ihrer Mitte willkommen heißen. Sie befreiten sich von ihren kräftigen Kunstleibern, ließen all die unnütz gewordenen Organe und Körperteile zurück und genossen die Ungebundenheit ihrer quasi-natürlichen Substanz. Die radioaktive Strahlung an Bord ihrer Wechselformschiffe nahm zu. Sie war wie ein Schutzschirm, der sich um sie legte, und die Kraft ihrer Sinneswahrnehmungen potenzierte sich. Das SECHSEN stand unmittelbar bevor.

28 - EINE NEUE ORDNUNG
    Queresma erwachte und schleuderte angewidert das Szeptinat beiseite, dieses Symbol maschineller Vereinnahmung, das er und seinesgleichen stets nur unter größten Vorbehalten akzeptiert hatten. Dann riss er sich den Zeremonienmantel vom Leib. Das semiintelligente Stück Stoff wagte es, ihm Dinge zuzuflüstern und zu versuchen, ihn zu beeinflussen.
    Er wusste wieder, wer und was er war, und der Turil-Teil in ihm rebellierte mit aller Kraft gegen diese Erkenntnis. Es scherte Queresma nicht. Turil war ein kurzzeitiger Aspekt seines Lebens gewesen, den er nun genauso ablegen würde wie ein Thanatologe seinen Zeremonienmantel.
    »GELFAR?«, fragte er.
    »Ja, Herr?«
    Die Stimme der Schiffssphäre klang unterwürfig. Sie spürte die Veränderung in ihm.
    »Ich gebe dir Koordinaten, die du augenblicklich ansteuerst.«
    »Das Schiffskind ist müde«, wagte die GELFAR einen Einspruch. »Es wäre ratsam, ein paar Stunden zu warten.«
    »Ich benötige Momed nur noch für diesen letzten Sprung. Meinethalben kann er danach sterben.«
    Da waren sie neuerlich, diese Gewissensbisse, die ihm
das Turil-Bewusstsein aufzuerlegen versuchte. Der von den Thanatologen großgezogene Teil in ihm schätzte das Leben; er unterschied nicht zwischen wertvoll und wertlos. Neuerlich drängte Queresma den unerwünschten Ideengeber weit in die hintersten Bereiche seines Selbst. Irgendwann einmal würde er Turil ausknipsen, doch nicht jetzt. Möglicherweise benötigte er den thanatologischen Bastard noch.
    »Ich gehorche, Herr«, sagte die GELFAR nach langem Zögern. »Was soll ich den Xeniathen mitteilen? Sie werden nervös. Du solltest dich bei ihnen melden.«
    »Erzähle ihnen, was du möchtest. Hauptsache, sie stören mich während der nächsten Stunden nicht.« Queresma tastete seinen Hilfskörper ab. Er würde diese fleischliche Hülle entfernen müssen, wollte er den anderen Marimes adäquat gegenübertreten. Versuchshalber bohrte er mit einem Finger ein Loch in die Wangenhaut. Es schmerzte ein wenig, und das Blut war von seltsamer Konsistenz. Dieser Körper war komplex. Kompliziert. Es würde ihn einige Zeit kosten, ihn abzustreifen, ohne sich selbst zu beschädigen.
    Rede mit mir!, drängte Turil mit leiser, aber intensiver Stimme. Du schuldest mir etwas.
    Ich schulde dir gar nichts. Du bist bedeutungslos für mich, gab Queresma zur Antwort.
    Ich habe dir all die Jahre Zuflucht geboten, und ich werde immer ein Teil von dir bleiben.
    Lächerlich! Queresma unterbrach den Kontakt und wischte Turil aus seiner Erinnerung. Er musste sich vorbereiten, wollte er den Marime das zurückgeben, was sie so lange vermisst hatten.
     
    Der Sprung der GELFAR durch die Abgründe des Alls riss Queresma in eine lebensbedrohende Dunkelheit, die seine
Unsicherheit verstärkte. Es bewahrheitete sich, was er befürchtet hatte: Er war auf Turil angewiesen. Dieses aufgepfropfte Bewusstsein, der Kruste auf dem Szeptinat nicht unähnlich, vermochte mit den Lebensbedingungen im Kahlsack wesentlich besser als er umzugehen. Die Marime waren an ihre eigenen Schiffseinheiten gewöhnt, und nur diese schützten sie adäquat vor der Orientierungslosigkeit, der die Angehörigen seines Volkes so oft anheimfielen. Wollte er die Kontrolle über seinen Hilfskörper behalten, musste er sich mit Turil arrangieren.
    Queresma rief ihn herbei, fischte ihn mit einem fordernden

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