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Turils Reise

Turils Reise

Titel: Turils Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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feil. Ein knorriger Wahrsager hob einen
Erdklumpen vom Boden, zerbröselte ihn, zeigte eine nachdenkliche Miene und prophezeite Turil viel Zufriedenheit während der nächsten Jahre. Der Totengräber wusste über das Interesse der Domiendramer an allem Metaphysischen Bescheid. Ihre Erdverbundenheit stand in strengem Gegensatz zur Technik, derer sie sich bedienten. Im Leerraum zwischen diesen beiden so unterschiedlichen Polen ihrer Existenz fand eine Vielzahl an Scharlatanen ein fruchtbares Biotop, das die vielen selbsternannten Propheten nach allen Regeln der Kunst beackerten.
    Bodenfahrzeuge ruckelten entlang der kaum gepflegten Straßenfurchen. Deren Fuhrwerker, die wie auf allen Welten des Kahlsacks zu den schlechtest gelaunten Exemplaren ihres Volkes zählten, scherten sich keinen Deut um die Fußgänger. Nährschlamm spritzte hoch, überall rissen und brachen Fußtriebe der Domiendramer im Geflecht dieses überbordenden Durch-und Miteinanders. Turil blieb inmitten des Gedränges stehen und schloss die Augen. Irgendwann musste er ja mit der Arbeit beginnen. Er atmete tief durch, konzentrierte sich, passte sich dem Herzschlag der Stadt an.
    Da war … Sehnsucht. Der Wunsch nach Erlösung. Die Hoffnung auf ein Ende allen Leids.
    Der Zyklus, in dem sich diese Wesen zur Zeit bewegten, dauerte bereits viel zu lange an. Alles drängte nach Erneuerung, nach Verbesserung. Kinder, Greise, Berufstätige und Arbeitsscheue, Reiche und Arme - sie hofften auf einen raschen Tod ihres Herrschers. Erst wenn er, der Stamm allen Seins, gefällt war und sein Leib im Moosboden des Hofkastells verfaulte, würde Neues heranwachsen: ein Machthaber, der neue Ideen und frische Hoffnung mit sich brachte.
    Turil kehrte in die Realität zurück. Das Fünkchen blinkte
ihn aufgeregt an, manch ein Domiendramer warf ihm verwunderte Blicke zu. Seine hagere Gestalt erregte Aufmerksamkeit, sein seltsames Verhalten umso mehr.
    »Verzeih mir, mein Kleines«, sagte der Thanatologe. »Ich benötige ab und an ein wenig Ruhe, um meine Gedanken zu sammeln.«
    »Ruhe? Hier?!« Das Fünkchen schaffte es, so etwas wie Empörung in seine künstliche Stimme zu legen. »Sollen wir dich zurück zu deinem Schiff, zur GELFAR, bringen?«
    »Keinesfalls, Fünkchen. Ich möchte unbedingt dieses Nekromantion sehen.« Und endlich Ruhe vor dir und deinesgleichen haben, dachte Turil.
    Zwischen niedrigen Häusern mit ziegelgedeckten Dächern ging es weiter, durch schmale Gassen, immer tiefer ins Wirrwarr der Straßen hinein. Eine seltsame Melange aus altertümlichen Behausungen und fortschrittlicher Technik prägte das Zentrum Chalasims.
    »Bleib stets in unserer Nähe«, sagte das Fünkchen. »Nicht jedermann hier will dir Gutes. Wir haben … Kollegen minderer Qualität, die dich von uns weglocken möchten. Sie wollen dich verführen, dir wehtun …«
    »Ich weiß mich zu wehren, danke.«
    Allmählich wurde es ruhiger. Remigard war untergegangen, die beiden Monde warfen silbernes Licht über den steinigen Boden. Eine alte Vettel, fast vollends verholzt, bürstete mit mühseligen Bewegungen Staub von ihrer Hauspforte. Ihre Augen knirschten bei jeder Bewegung. Aus einer dunklen Ecke drangen quiekende Geräusche. Rattenähnliches Getier lauerte auf seine Chance. Wenn die Alte irgendwann ihr Leben aushauchte, würden sie über ihren Leib herfallen und die letzten grünen Sprossen und Blätter von ihr zupfen.

    Die Domiendramer sind in ihrer traditionellen Lebensweise erstarrt, dachte Turil. Verholzt. Weil ihr König zu alt und zu feige und zu konservativ geworden ist, um ihnen den Zugang zu neuen Dingen zu erlauben.
    Der Schatten eines großen Gleiters verdeckte die beiden Monde und das grelle Sternenlicht des Kahlsacks. Leise brummend glitt der Riesenkörper in Rochenform über die Häuser hinweg. Er steuerte den zentralen Raumhafen im Norden der Stadt an, der auf mächtigen, mehrere hundert Meter hohen Luftwurzeln errichtet worden war.
    Aus den Fenstern der Häuser flackerte unruhiges Kerzenlicht. Einige wenige Fackeln beleuchteten die miefigen Wege, die ihn das Fünkchen entlangführte. In der Ferne klackten Holzschuhe über den Stein der Straßen, und Kinderstimmen wurden laut. Die Innenstadt samt ihren dunklen Ecken, vielen Geheimnissen und der jahrtausendealten Geschichte waren ein prächtiges Biotop für abenteuerlustige Jugendliche.
    »Wie weit ist es noch?«, fragte Turil.
    »Nur noch um die nächste Ecke«, flüsterte das Fünkchen. »Schnell, beeil dich, schnell!

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