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Turm der Lügen

Turm der Lügen

Titel: Turm der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cristen
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hatte.
    Wie immer ließ Valois an niemandem ein gutes Haar. Er schimpfte über die Herzogin-Witwe Agnes von Burgund. Dabei hatte er noch vor kurzem selbst die Meinung vertreten, dass die Krone nach dem Tod von Clementias Sohn an Louis’ Tochter Jeanne von Navarra fallen solle. Danach wetterte er ausgiebig über den englischen König, der der Einladung nach Reims nicht gefolgt war.
    Adrien unterdrückte ein Grinsen, als Philippe der Geduldsfaden riss und er seinen Onkel schroff bat, sie allein zu lassen.
    »Jeanne hat der Engländer mit seinem Entschluss sicher einen Gefallen getan«, konnte sich Adrien einen Kommentar zu Valois’ letzten Sätzen nicht versagen. »Es hätte ihr vermutlich missfallen, am Tag der eigenen Krönung ausgerechnet Isabelle zu begegnen.«
    »Meine Schwester sendet uns ihre Glückwünsche«, entgegnete Philippe betont neutral. »Ich habe dich zu mir gebeten, weil ich möchte, dass du mich heute Abend nach dem Festmahl zum Gebet in die Kathedrale begleitest, Adrien. Du hast in Jeanne eine beredte Fürsprecherin deiner Interessen gefunden. Unsere Missverständnisse sollten nicht länger zwischen uns stehen.«
    Es gehörte zum streng befolgten Zeremoniell, dass der König sich am Abend vor der Krönung in der Kathedrale im Gebet sammelte. Nur wenige Würdenträger und engste Vertraute sowie sein persönlicher Beichtvater begleiteten ihn dabei.
    »Es ist mir eine Ehre«, antwortete Adrien, ebenso überrascht wie erfreut über das unerwartete Entgegenkommen Philippes.
    Seit er ihn gebeten hatte, ihn aus seinen Diensten zu entlassen, hatten sie kaum persönliche Worte miteinander gewechselt.
    »Mehr als du denkst«, entgegnete Philippe rätselhaft und deckte ihn wie gewohnt mit so vielen Pflichten ein, dass Adrien nicht zum Nachdenken kam.
    Das Festmahl bot ihm die erste Möglichkeit, in Ruhe seine Gedanken zu sammeln. Es fand in einer eigens für diesen Zweck neben dem erzbischöflichen Palast errichteten Halle statt. Nach alter Sitte bestritt die Stadt Reims die Kosten der Krönung.
    In so kurzer Zeit gleich zweimal ein solches Fest ausrichten zu müssen, brachte sie fast in den Ruin. Die gewaltigen Kosten gruben Sorgenfalten in die Mienen der Ratsherren. Mitten im Winter Fuhrwerke voller Federvieh, Fische, Käse, Hammel, Ochsen, Schweine, Rinder und Wild aufzutreiben hatte sich als ebenso teuer wie schwierig erwiesen.
    Das Bankett war dennoch prächtig und verschwenderisch. Adriens Blick streifte die langen Festtafeln auf der Suche nach Séverine. Er sah sie nirgends. Immer wieder hatte er sie auf den einzelnen Stationen ihrer Reise von Ferne erblickt, aber nie die Möglichkeit gefunden, mit ihr zu sprechen. Jeanne war nicht nur von ihrem Hofstaat, sondern auch von ihrer Mutter und deren Damen umgeben gewesen, zu denen Séverine offiziell zählte. Hoffentlich gelang es ihm, sie nach den Feierlichkeiten zu sprechen.
    Da Mahaut eine wichtige Rolle bei der Krönung zufiel, trat sie ebenfalls in aller Pracht auf. Man hatte ihr auf jeder Etappe des Weges angemerkt, dass sie sich sowohl ihrer Macht wie ihrer Bedeutung bewusst war. Er würde vor ihr zu Kreuze kriechen müssen, ehe Séverine mit ihm nach Faucheville kam. Würde sie sie gehen lassen?
    Vermutlich wusste Séverine inzwischen von seinen Plänen. Philippes Äußerung, Jeanne habe sich für ihn eingesetzt, deutete darauf hin, dass er mit ihr darüber gesprochen haben musste. Was Jeanne wusste, wusste auch Séverine. Die Frage war indes – was hielt sie von seinem Entschluss? Reichte sie ihm die Hand zur Versöhnung? Würde sie Jeanne und die Kinder für ihn verlassen?
    Das Zeremoniell des Kirchenbesuches zwang das Königspaar, weit vor Ende des Banketts aufzubrechen. Adrien schloss sich, wie befohlen, dem Zug an. Die Januarnacht war klirrend kalt. Die Stadt hallte wider vom Lärm der Feiernden. Musik. Lachen. Schreie. Beifall. Das Grölen der ersten Betrunkenen.
    Die gewaltigen Ausmaße des dreischiffigen Gotteshauses, das sie durch einen Seiteneingang betraten, beeindruckten auch im Dunkeln. Das Licht der Fackeln tanzte über prächtig geschmückte Säulen und Altäre. Wandteppiche, mannshohe Kerzen und Girlanden aus Tannengrün fielen Adrien auf. Der Steinboden verschwand zum größten Teil unter Teppichen.
    Im Chor war ein zusätzliches Podest errichtet worden, da das Gestühl nicht alle Geladenen fassen konnte. Es roch nach Wachs und feuchtem Stein, nach Weihrauch und Wald, nach der Wolle der Teppiche und dem frisch gehobelten Holz der

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