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Turm der Lügen

Turm der Lügen

Titel: Turm der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Cristen
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den er das Bogenschießen lehren kann. Ich habe ihm den Sohn gestohlen, sagt er. Er gibt mir die Schuld am Tod seiner Frau. Je mehr er trinkt, umso wirrer werden seine Erzählungen. Es ist besser, wenn ihn dann niemand hört. Sie lachen ihn nur aus.«
    »Er kränkt dich mit diesem Gerede.«
    Es war nur eine Vermutung, aber sie schüttelte auf der Stelle den Kopf. »Das kann er nicht. Ich merke ja, wenn er betrunken ist. Ich habe gelernt, ihm dann aus dem Weg zu gehen.«
    Sie weigerte sich, vor einem Betrunkenen, der sie mit Beleidigungen überhäufte, zu kapitulieren. Adrien bewunderte sie dafür, denn es hörte sich an, als gäbe es nur wenige Tage, an denen sich Loup Gasnay nicht betrank.
    »Schau nicht so finster.« Ihre feste Hand stahl sich in die seine, sie zog ihn zum Tisch. »Elvire hat in aller Eile das Beste aus Küche und Keller für dich bereitet. Alle sind beglückt über deinen Besuch.«
    Sie war frohgemut und guter Dinge, daran gab es keinen Zweifel. Sie strahlte von innen heraus und geleitete ihn zum Kopfende des Tisches, ehe sie selbst ihren Platz weiter unten, eben noch oberhalb des Gesindes, einnahm. In der Rangfolge des Haushaltes war sie, als Mündel seines Vaters und Tochter eines Waffenknechtes, kaum über dem Status einer Magd plaziert. Adrien unterdrückte den Impuls, sie an seine Seite zu rufen.
    »Ihr hättet Euren Knappen vorausschicken sollen, damit alles zu Eurem Empfang bereit ist«, hörte er Laurel Bagon, den Burgvogt seines Vaters, zum wiederholten Male brummen. »Faucheville kommt Euch sicher bescheiden vor, nach allem, was über die Pracht der Pfingstfeiern sogar bis in unsere Abgeschiedenheit gedrungen ist.«
    »Mein Knappe ist anderweitig in meinen Diensten unterwegs. Außerdem interessiert mich Faucheville tausendmal mehr als der Königspalast«, entgegnete Adrien trocken. »Sagt mir, wie steht es um die Aussaat? Wie hoch ist die Anzahl der Jungtiere in den Ställen? Welchen Gewinn habt Ihr für die gebalgten Felle der Herbstjagden erzielt? Was wisst Ihr über die einzelnen Hofstellen des Dorfes? Sind die Leibeigenen gesund und die Jährlinge für den Pferdemarkt bereit?«
    Der Vogt zog den Kopf ein und manövrierte sich, so gut es ging, durch die Antworten. Adriens Vater, der Baron, interessierte sich am fernen Königshof nur für die Einkünfte des Lehens. Er machte ihm weder Vorschriften, noch wollte er Einzelheiten wissen. Bagon kam ob so vieler Fragen ins Schwitzen.
    Adrien entging das nicht. Ihm war klar, dass sein Vater die Zügel zu locker ließ. Er betrachtete Bagon eindringlich, bevor er den Blick auf Manon richtete, die jetzt ein Festkleid und einen hauchfeinen Schleier trug. Sie saß neben ihrer Mutter und nahm eine Stelle ein, die auch Séverine zugestanden hätte.
    »Ich nahm an, das Mündel meines Vaters unter der Obhut Eurer Gemahlin anzutreffen«, wandte er sich erneut an Bagon. »Wer unterrichtet Séverine in den Tugenden einer künftigen Gemahlin und Mutter?«
    »Je nun.« Der Vogt weitete mit dem Finger seinen enggeschnürten Hemdkragen. »Das ist Elvires Aufgabe. Schließlich hat sich die Köchin schon immer des Mädchens angenommen. Sie hat ihr die Mutter ersetzt, und bei ihr ist sie gut aufgehoben. Ich wollte nicht, dass meine Tochter und sie zusammen aufwachsen. Loup ist ein Säufer, und ihre Mutter war eine Kammermagd.«
    »Und warum, verdammt noch mal, sorgt Ihr nicht dafür, dass Loup zu saufen aufhört?« Adrien schlug mit der Faust auf den Tisch.
    »Er steht unter dem Schutz des Barons, und der hat ihm freie Kost und Logis zugesagt. Ich habe nicht das Recht, ihm Vorschriften zu machen.«
    Die Kräuterfüllung des knusprig gebratenen Täubchens verwandelte sich in Adriens Mund zu Stroh. Immer wieder stieß er auf die Anweisungen seines Vaters. Immer wieder rannte er gegen eine Wand, sobald er versuchte, eigene Anordnungen durchzusetzen. Aber hier ging es nicht um ihn, es ging um Séverine.
    * * *
    Loup Gasnay lag schnarchend auf dem Rücken, die Arme von sich gestreckt, den Mund mit den gelblichen Zahnstummeln halb offen. Bettstatt, Kleider und Kammer stanken, wie Adrien es nur von den billigsten Schenken der Hauptstadt kannte. Er stieß die vorgelegten Läden auf und musterte den ehemaligen Waffenknecht verächtlich.
    Die untätigen Jahre hatten ihn fett werden lassen, und niemand wäre auf den Gedanken gekommen, er könne einmal ein angesehener Kämpfer gewesen sein. Ein prächtiges Mannsbild, dem es sogar gelungen war, eine der Kammerfrauen der

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