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Turm-Fraeulein

Titel: Turm-Fraeulein Kostenlos Bücher Online Lesen
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mit Schaden!« nachzubrüllen. Doch er beherrschte sich; sein loses Mundwerk hatte schon für genug Ärger gesorgt.
    Wo war nur das ganze Wasser hin verschwunden? fragte er sich. Es war doch so viel gewesen – und nun war es alles unter der Erde. Ob es dort durch irgendwelche endlosen Gänge spülte, hinunter in irgendein sonnenloses Meer? Gab es dort unten vielleicht Leute oder Ungeheuer, und wenn ja, wie kamen die dann mit dem Wasser zurecht?
    Stella schien in Ordnung zu sein; das Wasser war gerade noch rechtzeitig abgeflossen, und sie gehörte zu einer sehr zähen Drachenart. Grundy setzte sich oben auf das triefnasse Bett und entspannte sich, während sie sich in Bewegung setzte.
    Fracto, dessen Zorn verraucht war, schwebte davon, worauf die Sonne wieder zum Vorschein kam. Nach und nach trocknete das Bett. Bei Nachtanbruch war es schon nicht mehr feucht.
    In dieser Nacht streiften Grundy und Snorty nicht mehr umher; statt dessen beschlossen sie zu warten, bis die Drachin am Morgen ausgeruht genug war, um diese Reise fortzusetzen. Denn möglicherweise gab es vor ihnen keinen weiteren Stöpsel mehr.

6
Ungeheuerliche Erzählungen
    Am dritten Tag erreichten sie die Ostküste. Die Spalte führte in den Ozean hinein. Vor der Küste befand sich eine Insel, die früher einmal als Insel der Illusion bekannt gewesen war, denn dort hatte Königin Iris residiert, und dort hatte sie auch über die ganze Gegend Illusionszauber verhängt. Heutzutage wohnte dort niemand von Bedeutung. »Ab und zu schickt jemand mal einen Feuervogel oder so etwas nach oben«, bemerkte Stella. »Ich weiß nicht, was die damit wollen; vielleicht lieben sie es einfach nur, sich die Flammen anzuschauen, die aus dem Schwanz hervorschießen.«
    Das war es wahrscheinlich. »Wo ist denn das Seeungeheuer?« wollte Grundy wissen.
    »Er kann sich irgendwo vor der Küste aufhalten«, knurrte sie. »Du mußt es rufen.«
    »Und wie soll ich das tun?«
    »Er kommt immer nur, wenn ein junges Mädchen in Gefahr gerät. Du brauchst dir also nur ein Mädchen zu fangen und es am Ufer an einem Pfahl festzuketten…«
    »Das kann ich unmöglich tun!« protestierte Grundy.
    Sie überlegte. »Nein, wahrscheinlich nicht. Dafür bist du zu klein.«
    So hatte Grundy das zwar nicht gemeint, doch er verkniff sich lieber seine freche Erwiderung. »Wie sonst?«
    »Vielleicht kannst du so tun, als gäbe es hier ein Mädchen in Gefahr…«
    Das erschien ihm möglich. »Wir werden eine Puppe basteln, und ich werde ihre Stimme imitieren«, beschloß Grundy.
    »Viel Glück«, knurrte Stella. »Ich muß zurück auf Spaltenwache.« Und so ließ sie das Bett mit Snorty bei Grundy und verschwand wieder.
    In der Nacht kam Snorty hervor und suchte nach Material für die Puppe. Er sammelte Treibholz, das die richtige Form hatte, und verknüpfte es mit Schlingpflanzen. Handwerklich war er recht begabt – was auch nicht weiter überraschend war, wenn man bedachte, daß er hauptsächlich aus Armen und Händen bestand.
    Schließlich bauten sie die Puppe am Ufer auf. Dann imitierte Grundy ihre Stimme. »Oh, Hilfe!« jammerte er in einem höchst entsetzten weiblichen Tonfall. »Ich bin in schrecklicher Gefahr!«
    Nichts geschah. Aber das Ungeheuer würde wahrscheinlich auch seine Zeit brauchen, bis es hier anlangte. So wiederholte Grundy etwa stündlich einmal sein Rufen, in der Hoffnung, daß es auch gehört werden würde.
    Schließlich brach die Dämmerung ein, und sie zogen sich zum Bett zurück.
     
    In der nächsten Nacht wiederholte Grundy seine Schreie, wenngleich er insgeheim seine Zweifel hatte, sich ausgerechnet an ein Ungeheuer um Hilfe zu wenden, das es vorzog, sich von ebensolcher hilflosen Beute zu ernähren.
    Am nächsten Tag, es war gegen Mittag, kam das Seeungeheuer endlich. Erst schäumte das Wasser auf, dann hob sich ein bizarrer Kopf aus den Fluten. Das Ungeheuer besaß eine biegsame rosa Schnauze, hervorquellende Nüstern, Blumenkohlohren und zwei gewaltige Elfenbeinzähne. Seine Augen wirkten klein wie Perlen, doch als es näher kam, erkannte Grundy, daß sie eher blutunterlaufenen Untertassen glichen; nur im Vergleich zur sonstigen Größe des Ungeheuers sahen sie klein aus.
    Grundy blickte an sich herab und stellte fest, daß seine Knie sich gar nicht in Pudding verwandelt hatten, sie fühlten sich lediglich so an. Wollte er mit dieser Mission wirklich fortfahren? »Das ist aber das häßlichste Stück Fleisch, das ich jemals gesehen habe!« hauchte er.
    Das Ungeheuer

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