Turm-Fraeulein
tutete. Grundy zuckte zusammen. Natürlich verstand er das Tuten, und es bedeutete folgendes: »Und du bist das unwichtigste Stück Kleinvieh, das mir jemals unter die Augen gekommen ist.«
Diese riesigen gewundenen Ohren konnten aber verdammt gut hören! »Ich befinde mich auf einer Queste«, tutete Grundy zu seiner Verteidigung.
»Tun wir das nicht alle?« meinte das Ungeheuer.
»Du? Was ist denn deine Queste?«
»Ich befreie Damselln aus jeder Gefahr.« Das Ungeheuer watete durch das flache Wasser auf die Puppe zu. Es hatte riesige Schwimmflossen und einen schlangengleichen Schwanz und war sogar noch größer, als es zuerst den Anschein gehabt hatte. Von seinen Schuppen hingen Algen herab. Es roch nach krankem Fisch.
»Äh, was diese Damsell da angeht…« fing Grundy an.
»Komme gleich, Häppchen«, tutete das Ungeheuer, während es sich aus dem Wasser hob und seinen blubbernden Körper etwas ungeschickt über den Sand schleppte. »Die wichtigen Sachen erledige ich immer zuerst.«
»Aber verstehst du nicht, das dort ist gar nicht wirklich eine…«
»Ich bin gekommen, um sie zu befreien, und befreien werde ich sie auch!«
»Sie ist falsch… sie…«
»Nie solltest du ein edles Mädchen falsch heißen!« tadelte das Ungeheuer ihn und setzte seinen Marsch fort.
»Aber diese hier ist in Wirklichkeit…« warf Grundy ein.
Abrupt blieb das Ungeheuer stehen, die Augen auf die Puppe geheftet. »Das ist ja gar keine Damsell!« tutete es.
»Das ist nur eine Puppe!« rief Grundy. »Das wollte ich dir die ganze Zeit sagen!«
»Eine falsche Damsell!« tutete das Ungeheuer erstaunt. »Wer macht denn so etwas?«
»Na ja, weißt du…«
»Da schwimme ich mit Höchstgeschwindigkeit die halbe Küste Xanths entlang, um die arme Jungfrau noch zu erreichen, bevor sie den Tod findet, und das alles für nichts?«
»Was hätte es ihr ohnehin genutzt?« rief Grundy. »Da ist sie doch ebensogut dran, ob sie nun an Erschöpfung stirbt oder von dir vertilgt wird!«
»Was?« tutete das Ungeheuer verwirrt.
»Wozu diese Beschönigungen? Klar, du magst es Befreiung nennen, aber was du da befreist, ist ihr Leben und deinen Hunger!«
»Mein lieber unwichtiger Golem!« tutete das Monster. »Wer hat dir denn diesen Floh ins Ohr gesetzt?«
»Es stimmt doch, oder etwa nicht? Du frißt doch nur Damselln in Gefahr?«
»Ich verzehre lediglich Plankton«, tutete das Monster beleidigt. »Glaubst du etwa, daß es in Xanth genügend Damselln geben könnte, um mich zu ernähren, sofern deine infame Beschuldigung wahr wäre?«
Grundy musterte die riesigen Körpermassen der Kreatur und mußte erkennen, daß der Einwand berechtigt war. Diesen Fleischberg konnten nicht einmal tausend Jungfrauen ernähren. »Plankton?«
»Das ist ein magisches Nahrungsmittel, das man nur im Meer findet. Sehr lecker. Ich siebe es durch meine Zähne.«
»Aber diese Zähne, diese Hauer…«
»Sind natürlich nur für die Selbstverteidigung. Dort draußen gibt es schließlich ein paar ganz schöne üble Wesen.«
»Äh, ich schätze, da habe ich mich wohl von deinem Ruf täuschen lassen«, meinte Grundy verlegen.
»Du solltest dich nicht auf Gerüchte verlassen«, wies das Ungeheuer ihn zurecht. »Und nun sag mir, was diese falsche Damsell hier zu suchen hat?«
»Ich habe sie aufgebaut«, gestand Grundy. »Das war die einzige Möglichkeit, um dich herbeizurufen.«
»Du hast mich in diese schmachvolle Situation gebracht?« Die Untertassenaugen röteten sich bedrohlich.
»Ich brauche deine Hilfe! Schließlich geraten nicht nur junge Mädchen in Gefahr, mußt du wissen.«
Das Ungeheuer überlegte. »Das könnte stimmen.« Seine Augen entröteten sich ein wenig. »Und wie?«
»Ich muß zum Elfenbeinturm.«
»Zum Elfenbeinturm!« tutete das Ungeheuer, und seine Augen liefen wieder rot an. »Niemals nähere ich mich diesem verdammten Ding!«
»Ach ja? Was hast du denn dagegen?«
»Schau dir einmal diese Hauer an!« tutete das Ungeheuer und schwenkte sie bedrohlich in die Richtung des Golems. »Woraus, meinst du, sind die wohl?«
»Äh… Elfenbein?«
»Genau. Und dieser Turm…«
»Jetzt verstehe ich, was du meinst. Irgend jemand will deine Hauer haben, für den Turm…«
Die Augen wurden wieder etwas heller. »Eigentlich nicht. Der Turm ist schon seit Jahrhunderten fertig. Aber er wurde aus dem Elfenbein von zahllosen unschuldigen Ungeheuern, wie ich eins bin, gefertigt, und jedesmal, wenn ich von ihm höre, muß ich an die Opferung dieser armen
Weitere Kostenlose Bücher