Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Turm-Fraeulein

Titel: Turm-Fraeulein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Vom Netzwerk:
für dich finden«, sagte er.
    Ivy klatschte in die Hände, so wie kleine Mädchen es gerne taten. »Das wirst du? Oh, danke Grundy! Dann nehme ich auch sofort die Hälfte aller bösen Sachen zurück, die ich über dich gesagt habe.«
    »Nur die Hälfte?« Na ja, er war ja ohnehin nur eine halbe Portion. »Aber während ich Stanley suche, darfst du nichts selbst unternehmen«, ermahnte er sie. »Das könnte alles gefährden.«
    »Nein, das werde ich nicht, das werde ich ganz bestimmt nicht!« willigte sie ein. »Nicht, bevor du ihn zurückgebracht hast.«
    Und so verpflichtete sich Grundy zu einer Queste, von der er den starken Verdacht hatte, daß sie völlig nutzlos war. Doch welche andere Wahl hatte er schon gehabt? Ivy brauchte ihren Drachen, und er sehnte sich danach, ein Held zu sein.
     
    Grundy hatte keinerlei Vorstellung, was er tun sollte, also tat er, was jeder in der gleichen Situation getan hätte: Er suchte den Guten Magier auf. Ein Thesaurus, der gerade in die Richtung reiste, nahm ihn mit. Der Thesaurus gehörte zu einer uralten Reptilienart. In seinem jahrhundertelangem Leben hatte er sich ein gewaltiges Vokabular angeeignet; das sorgte für eine sehr anregende Unterhaltung unterwegs. Allerdings hatte er aber auch die irritierende Angewohnheit, niemals nur einen einzigen Ausdruck zu verwenden, wenn gleich mehrere zur Verfügung standen. Als Grundy ihn beispielsweise fragte, wohin er ging, ließ er seinen schweren Schwanz peitschen und erwiderte: »Ich gehe fort, ziehe um, mache mich auf den Weg, gehe, reise in die Ferne, Fremde, weit fort, abgelegenen Gebiete, Länderstriche, Gegenden.« Als sie endlich das Schloß des Guten Magiers erreichten, war Grundy froh, ihm sein Lebewohl, Adieu und auf Wiedersehen entbieten zu können.
    Nun stand Grundy vor dem Schloß des Guten Magiers. Jedesmal, wenn er es im Laufe der Jahre besucht hatte, hatte es von außen anders ausgesehen, im Inneren hingegen fast völlig unverändert. Diesmal sah es verdächtig gewöhnlich aus: ein kreisförmiger Schloßgraben, graue Steinmauern und hier und da ein scheckiges Türmchen. Es vermittelte den Eindruck, als stände sein Bewohner äußerlichen Dingen völlig gleichgültig gegenüber. Grundy wußte, daß dies eine Täuschung war; Humfrey galt als der Magier der Information, und wenngleich er jetzt auch jung war, wußte er in der Regel doch recht gut, was er tat. Er liebte es nicht, wegen unwichtiger Dinge gestört zu werden, deshalb errichtete er Hindernisse gegen Eindringlinge, der Theorie folgend, daß nur Leute mit entsprechend wichtigen Sorgen es schaffen würden, diese Hürden zu meistern.
    Nun, Grundy hatte ein Problem, und er wußte auch, daß er an drei Hindernissen vorbeikommen mußte, um Einlaß zu erhalten. Was er jedoch nicht wußte, war, welcher Art diese Hindernisse sein mochten und wie sie zu überwinden waren. Es blieb ihm also nichts weiter übrig, als weiterzugehen und zu tun, was er tun mußte.
    Er trat an den Rand des Schloßgrabens. Natürlich gab es keine Möglichkeit, auf die andere Seite zu gelangen; die Zugbrücke war hochgezogen. Also gut, dann würde er eben schwimmen müssen.
    Schwimmen? Zuvor sollte er sich mal lieber mit den Grabenungeheuern beschäftigen!
    »He, Rußschnauze!« Grabenungeheuer gehörten stets zur Gattung der Wasserschlangen und waren recht empfindlich, was ihr Aussehen anging.
    Er erhielt keine Antwort. Nun, das ließ sich ändern. »Sag mal, Gras«, sagte er zu dem grünbewachsenen Ufer. »Wo ist denn das Ungeheuer?«
    »Auf Urlaub, Lumpenhirn«, erwiderte das Gras.
    Grundy war überrascht. »Wie, kein Grabenungeheuer vom Dienst da? Soll das heißen, daß ich ganz ungefährdet auf die andere Seite schwimmen kann?«
    »Das möchtest du wohl, du Zappelfaden«, erwiderte das Gras. »Dich fressen sie doch schon auf, bevor du auch nur fünf Züge getan hast.«
    »Aber wenn doch kein Ungeheuer da ist…«
    Das Gras rauschte im Wind. »Wie du meinst, Holznase.«
    Grundy traute der Sache nicht. »Wie kann ich aufgefressen werden, wenn es hier kein Ungeheuer gibt?«
    Doch das Gras wirkte verärgert. »Guck doch selbst nach, Lehmgesicht.« Offensichtlich wußte es etwas über seine Ursprünge, obwohl er inzwischen gar nicht mehr aus Faden, Lumpen, Holz oder Lehm bestand. Irgendwie mochte er sein Gehabe nicht, vielleicht, weil es dem seinen allzusehr glich.
    Hier war auf jeden Fall irgend etwas faul. Er beugte sich vor, um einen Finger ins Wasser zu tunken, doch das erwartungsvolle

Weitere Kostenlose Bücher