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Turm-Fraeulein

Titel: Turm-Fraeulein Kostenlos Bücher Online Lesen
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hindurchhuschen, denn an der Seite war dafür kein Platz. Das Einhorn tat, als wollte es alles aufspießen, was es auf diesem Weg versuchte. Es war offensichtlich, daß er nicht an ihm vorbei konnte.
    Der Golem wich ein Stück zurück und überlegte. Wie konnte er an einem Wesen vorbeikommen, das sein Eindringen ins Schloß verhindern wollte und augenscheinlich auch die Fähigkeit dazu besaß? Es mußte doch irgendeinen Ausweg geben.
    Plötzlich hatte er eine Idee. Er machte kehrt und schritt davon. Er konnte das Schloß in jeder beliebigen Richtung umrunden, so oder so würde er den Eingang erreichen. Das Einhorn verfolgte ihn nicht, vielleicht war es zu dumm, um zu erkennen, was er vorhatte.
    Grundy legte drei Viertel des Weges zurück – und blieb stehen. Vor ihm stand wieder das Einhorn: es blickte ihn an und hielt drohend das Horn gesenkt. Offensichtlich war es bis zum Eingang zurückgeschritten, hatte sich in die andere Richtung gewandt und blockierte nun diesen Zugang. Es war also gar nicht dumm; es hatte genau gewußt, daß es den Eingang nicht schützen konnte, indem es den Golem um das Schloß jagte.
    Nun, vielleicht konnte er es dazu bewegen, in seiner Wachsamkeit nachzulassen. Möglicherweise konnte er es auch so erzürnen, daß es sich verschätzte und einen Fehler machte. Was Beleidigungen anging, besaß Grundy ein seltenes, außerordentliches Talent, wenn er sich nur Mühe gab. »Sag mal, Knickwade, haben die dich hier nach draußen gestellt, damit du drinnen nicht das Schloß verpestest?«
    »Nein, die haben mich hier nach draußen gestellt, damit du es nicht verpestest«, konterte das Einhorn.
    Hm. Das schien eine etwas größere Herausforderung zu werden als erwartet. Doch Grundy versuchte es aufs neue. »Bist du mit diesem Horn in einem Erdloch steckengeblieben? Kein Wesen mit auch nur einem Funken Selbstrespekt würde mit einem derartigen stumpfen Speer herumlaufen!«
    »Bist du mit diesem Körper in einem Schrumpfveilchen steckengeblieben?« erwiderte das Einhorn. »Kein Zwerg mit auch nur einem Funken Selbstrespekt würde so ans Tageslicht treten.«
    »Hör mal, Knotenmähne, ich bin ein Golem!« rief Grundy. »Ich muß diese Körpergröße haben.«
    »Das bezweifle ich. Dieser Körper ist doch viel zu klein für dein großes Maul.«
    Grundy schwoll zu seiner vollen winzigen Größe an, bereit, einen vernichtenden Schwall von Beleidigungen von sich zu geben – und erkannte plötzlich, daß das Einhorn im Begriff stand, das Rennen zu gewinnen. Eigentlich sollte es doch wütend werden!
    Er mußte es mit irgendeiner anderen Taktik versuchen. Nun, wenn er es schon nicht schlagen konnte, vielleicht konnte er sich ihm dann wenigstens anschließen. »Was möchtest du in Xanth am liebsten haben?« fragte er.
    »Ich möchte am liebsten lästige Golems loswerden, damit ich mein Schläfchen fortsetzen kann.«
    »Davon mal abgesehen«, meinte Grundy mit unsicherer Stimme.
    Das Einhorn überlegte. »Na ja, Hunger bekomme ich schon, und zwischen den Mahlzeiten sind ja fürchterlich lange Pausen. Ich hätte wirklich gerne irgend etwas Leckeres zu fressen.«
    Das klang schon vielversprechender. Doch war sich Grundy nicht sicher, wie er ein solches Häppchen auftreiben sollte. »Wenn du mich ins Schloß läßt, kann ich dir vielleicht ein bißchen leckeres Heu oder etwas ähnliches verschaffen«, schlug er vor.
    »Wenn ich dich ins Schloß lasse, wird mein Fell vielleicht schon gegerbt werden, bevor ich überhaupt bereit bin, es abzulegen«, erwiderte das Einhorn.
    »Vielleicht könnte ich dir ein Häppchen zu essen beschaffen, ohne hineinzugehen«, erwiderte Grundy.
    »Ich wäre sehr froh über ein Häppchen, ohne daß du vorher ins Schloß mußt«, stimmte das Wesen zu.
    Irgendwie klang das nicht besonders vielversprechend. Grundy blickte über den Graben. Auf der gegenüberliegenden Seite war das Gras grün, das Buschwerk voller Blätter. Plötzlich gab es sehr viel hier, was das Einhorn ablenken konnte, doch es konnte nicht auf die andere Seite, und Grundy selbst wäre nicht dazu in der Lage gewesen, in seinem Schneckenboot mehr als einen Bissen auf einmal heranzuschaffen.
    Dann erspähte er eine große grüne Pflanze, die mehrere Zöpfe aufwies. Vielleicht gab es doch eine Möglichkeit!
    »Was bist du für eine Pflanze?« fragte er in Pflanzensprache. Das Einhorn konnte ihn natürlich nicht verstehen und wußte folglich nicht, was er da tat.
    »Ich bin eine Popcornpflanze«, erwiderte die Pflanze stolz.

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