Turrinis Bauch - Kriminalroman
dem Wein ins Weinviertel gefahren ist. Wegen der Agentur ist sie gefahren. Abendrot heißt die. So ein saublöder Name, dass die Gucki zuerst geglaubt hat, das kann nur ein Schmäh sein. Von den Kolleginnen. Die slowakischen Altenpflegerinnen, die sie ausgefratschelt hat. Wie sie nach Österreich gekommen sind.
Aber nein, die heißt wirklich so: Abendrot ! Die Agentur, die ihre Kolleginnen vermittelt hat. Als Hauskrankenpflegerinnen. Praktisch alle. Abendrot Gmbh . Firmensitz Retz, Geschäftsführer Günther Maria Sprinzenstein. Den braucht die Gucki nur ein bisserl ausquetschen – und schon hat sie sämtliche Adressen, wo die Milena und die Alena als Hauskrankenpflegerinnen gearbeitet haben. Abwechselnd. Vierzehn Tage die Milena – vierzehn Tage die Alena.
Dort muss der Hund begraben sein! Sprich: Dort findet die Gucki den Doppelmörder. Beziehungsweise: Dort findet sie das nächste Opfer. Wenn es wirklich ein Serienmörder ist, der grad einmal angefangen hat, dann hat er ja alle anderen Hauskrankenpflegerinnen, die bei seiner Verwandtschaft gearbeitet haben, auch auf seiner Abschussliste! Besser gesagt: auf seiner Abstechliste !
Hat die Gucki eigentlich auch schon ein Motiv für die Morde. Nämlich Rache. Der Bub oder der Enkel von irgendeinem Pflegefall gibt den Pflegerinnen die Schuld am Tod seines Angehörigen und greift zum Nordic-Walking-Stecken. Müsste er seine Mordserie dann aber nicht auch auf die Ärzteschaft ausdehnen?
So logisch, klar und präzise kann die Gucki denken. Aber halt nicht immer. Jetzt zum Beispiel – jetzt kann sie überhaupt nicht denken. Will eigentlich auch gar nicht denken. Trotzdem drängt sich jetzt schön langsam die Frage auf: „Wo bin ich?“ Weil im Weinviertel ist halt doch eine ziemlich eine verschwommene Ortsangabe.
Die ganze Theorie von wegen „der Mörder muss ein Angehöriger von einem Pflegefall sein“ ist ihr ja nicht jetzt gekommen, sondern beim Tarockieren. In der Meierhansl-Hütte. Also am Dienstag. Aber: Was war dann?
Dann ist sie irgendwann um drei in der Früh heim und hat dem Turrini erzählt, dass sie einen Durch gespielt hat. Bei einem Solodreier . Und dabei den Dreier , den Vierer und den Fünfer angesagt. Ist gleich: ein Vermögen gewonnen. Weil Geld dem Turrini aber nicht viel sagt, hat sie ihm ihren Gewinn noch schnell in Hundefutter umgerechnet und ist dann ins Bett gefallen. Ab diesem Zeitpunkt kann sie sich aber an nichts mehr erinnern. Beim besten Willen nicht!
Bleibt ihr also nichts anderes über, als dass sie die Tür aufmacht. Kann ja sowieso nicht ihr weiteres Leben in diesem winzigen Raum verbringen. Weil das Klo, das Waschbecken mit dem Spiegel und die Dusche kennt sie jetzt eh schon in- und auswendig. Nur: Was wird hinter der Tür zum Vorschein kommen?
Dem grindigen Bad nach zu schließen, müsste da ein grindiges Hotelzimmer kommen. Tut es auch. Linoleumboden Marke Parkett-Imitation , geblümelte Tapete, bunt gemusterte Vorhänge in Orange und Braun. Wie wenn die Gucki in einem Museum für die Wohnkultur der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts übernachtet hätt. Wie in der Wohnung vom Opa.
Nur dass über dem Doppelbett kein süßliches Heiligenbild hängt. Veronika reicht Jesus das Schweißtuch haben Opa und Oma über dem Bett hängen gehabt. Eh nur auf Wunsch – besser gesagt: auf Befehl – der Oma. Wie die Oma dann gestorben ist, hat es der Opa gleich nach dem Begräbnis durch einen genauso geschmacklosen Nazi-Schinken ersetzt: BDM -Mädel turnen für den Endsieg . Was die erotische Qualität betrifft, auch nicht viel besser: nicht offen pornografisch, sondern mehr so hinten herum. Verschwitzt halt.
Da ist das Bild über dem Bett, in dem die Gucki heute Nacht geschlafen hat, schon viel gradliniger und ehrlicher. Ein Foto von einer Nackerten. Das winzige Höschen, das sie anhat, zählt ja eigentlich nicht. Also: eine Nackerte auf einer Harley Davidson . Das Motorrad schwarz, die Locken von der Nackerten auch schwarz – kann man wirklich nichts dagegen sagen. So von wegen Geschmack.
Trotzdem stören die Gucki die schwarzen Locken. Aber nicht die von der Nackerten, sondern die von dem Nackerten. Liegt doch in ihrem Bett tatsächlich ein Nackerter! Fällt ihr jetzt erst auf. Was tun? Da gibt es nämlich keine klare Verhaltensregel, wenn du draufkommst, dass in deinem Bett ein nackter Mann liegt.
Muss sich die Gucki die Frage stellen: „Nackter Mann, was nun?“ Weil sie aber keine Antwort kriegt, klopft sie ihrem auf dem
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