Twig im Dunkelwald
Waterbork. Er fuhr herum und starrte misstrauisch in das von silbernem Mondlicht durchbrochene Dunkel.
»Wahrscheinlich ein Tier«, vermutete der zweite Pirat.
»Ich weiß nicht«, sagte Waterbork langsam.
Twig duckte sich tief. Jemand näherte sich auf Zehenspitzen. Twig hob den Kopf und sah in das fein geschnittene, aber breite Gesicht von jemand, der kaum älter war als er selbst – dem Aussehen nach ein Eichenelf. Das musste Zacke sein.
Der Eichenelf starrte Twig an und runzelte verblüfft die Stirn. »Kennen wir uns?«, fragte er schließlich.
»Hast du was gefunden?«, rief Waterbork.
Zacke starrte Twig weiter unverwandt an. Seine spitzen Ohren zuckten. »Ja«, sagte er ruhig.
»Wie bitte?«
»Ich sagte ja !«, rief er lauter und fasste Twig an der Schulter. Sofort wurden die Haare des Hammelhornfells zu Nadeln und stachen ihm in die Hand. Er jaulte auf, zog die Hand zurück und saugte an seinen Fingern ohne Twig dabei aus den Augen zu lassen. »Folge mir«, befahl er dann.
»Wen haben wir denn da?«, fragte der bärtige Pirat, als die beiden vor ihm standen. »An dem ist nicht viel dran, wie?« Er nahm Twigs Oberarm zwischen Daumen und Zeigefinger. »Wie heißt du denn, Bürschchen?«
»Twig, Sir«, antwortete Twig.
»Verstärkung an Bord, wie?« Der Pirat zwinkerte Zacke zu.
Twig durchlief ein Schauer bei dem Gedanken.
»Wenn wir überhaupt noch an Bord gehen können«, gab der Eichenelf zu bedenken.
»Natürlich können wir das!«, rief Tem Waterbork und lachte dröhnend. »Wir müssen nur herausfinden, wo es gelandet ist.«
Twig räusperte sich. »Ich glaube, dort drüben«, sagte er und zeigte nach rechts.
Waterbork beugte sich zu ihm hinunter, bis sein großes, bärtiges Gesicht auf gleicher Höhe mit dem von Twig war. »Und woher willst du das wissen, bitte schön?«
»Ich … ich habe gesehen, wie es abgestürzt ist«, sagte Twig unsicher.
»Gesehen«, brüllte der Himmelspirat.
»Ich bin einen Baum hinaufgeklettert um den Sturm zu beobachten. Ich sah, wie das Himmelsschiff in den Wirbelsturm geriet.«
»Gesehen also«, sagte der Pirat noch einmal, diesmal freundlicher. Er klatschte in die Hände. »Dann führst du uns jetzt gleich mal hin, Freundchen.«
Mit etwas Glück und einigem Raten fand Twig auch tatsächlich den Weg. Sie waren erst hundert Schritte gegangen, da entdeckten sie hoch in den Bäumen den im Mondlicht schimmernden Rumpf. »Da ist er ja, der Sturmpfeil «, murmelte Tem Waterbork, »Gut gemacht, Bursche.« Er schlug Twig herzhaft auf die Schulter.
»Pssst!«, zischte Zacke. »Wir sind nicht die ersten.«
Tem legte den Kopf schräg. »Das ist Slyvo, dieser Halunke von Maat«, brummte er.
Zacke hob den Finger an die Lippen. Die drei blieben mucksmäuschenstill stehen und versuchten angestrengt zu hören, was die leisen Stimmen vor ihnen sagten.
»Sieht ganz so aus, mein lieber Haudrauf, als hätte der Captain sich übernommen«, sagte Slyvo gerade. Er sprach mit einem abgehackten Näseln und spuckte die d’s und t’s aus, als schmeckten sie schlecht.
»Sich übernommen!«, wiederholte eine raue, tiefe Stimme. Tem Waterbork machte eine unruhige Bewegung und sein Gesicht lief dunkelrot an. Er reckte den Hals. »Der Steinpilot ist auch bei ihnen«, flüsterte er.
Twig spähte durch einen Spalt zwischen den Blättern. Vor sich sah er drei Piraten. Haudrauf war ein Flachkopfkobold mit dem typischen breiten, flachen Schädel und den abstehenden Ohren, allerdings sah er viel wilder aus als der Flachkopf, der Twig aus dem Sumpf gezogen hatte. Hinter ihm stand eine untersetzte Gestalt in einem schweren Mantel und noch schwereren Stiefeln: der Steinpilot. Sein Kopf war unter einer langen, spitzen Kapuze verborgen, die ihm bis über die Brust hing. In die Kapuze waren zwei runde Glasfenster eingelassen, durch die er hindurchsah. Er sagte nichts. Der dritte Pirat war Slyvo selbst, eine große, gebeugte Gestalt, die nur aus Haut und Knochen zu bestehen schien. Er hatte eine lange Nase, ein spitzes Kinn und verschlagene Augen, die hinter einer stahlumrandeten Brille unstet hin und her wanderten.
»Ich möchte ja wirklich nicht rechthaberisch sein«, fuhr er fort, »aber … na ja … Wenn wir meinem Vorschlag gefolgt wären und das Eisenholz nicht geladen hätten … Der Preis für das Holz fällt zurzeit sowieso!« Es folgte eine Pause, dann ein Seufzen. »Wenn wir es nicht geladen hätten, wären wir auch nicht in das Gewitter geraten.«
»Nicht in das Gewitter
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