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Typisch Bär! - Geschichten zum Vorlesen

Typisch Bär! - Geschichten zum Vorlesen

Titel: Typisch Bär! - Geschichten zum Vorlesen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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gingen sie zu seiner Hütte. Dort gab es zunächst etwas Herzhaftes und danach etwas Süßes. Anschließend zeigte er ihr sein Radio und seine Sprichwörter und alles.
    Sie betrachtete den riesigen Sprichwörterberg und lieflangsam um den Schreibtisch herum, auf dem all die Zettel lagen. Sie wirkte nachdenklich und sagte nichts.
    Der Bär dachte sofort, dass ihr der Sprichwörterberg nicht gefiel. Bestimmt war er ihr zu unordentlich. Vielleicht mochte sie gar keine Sprichwörter? Womöglich hatte sie sogar Angst vor Sprichwörtern? Das wäre wirklich schrecklich!
    Endlich blieb sie stehen und sah den Bären lange an.
    Dann lächelte sie und sagte: »Ich LIEBE Sprichwörter.«
    Vor Erleichterung fielen ihm drei bis vier Steine vom Herzen. Er war wirklich froh! Sie durchstöberten die Zettel, lasen einander dieses oder jenes Sprichwort vor, und sie lachte, wenn er mal wieder etwas durcheinandergeworfen oder wenn er sich im Radio verhört hatte. Auf einem der Zettel stand zum Beispiel: Lügen haben lange Arme. Die Bärin wusste natürlich, dass das Sprichwort in Wirklichkeit etwas anders lautete. Sie musste lachen, aber sie sagte nichts.
    Dem Bären gefiel ihr Lachen, und er wollte nicht, dass sie sofort weiterzog.
    »Wenn du noch Zeit hast, können wir uns heute Abend Sternbilder anschauen«, schlug er eifrig vor.
    »Hm, so eilig habe ich es eigentlich nicht. Einverstanden.«
    Später saßen sie in der Abenddämmerung auf der Wiese und warteten auf die Sterne. Der Bär sah aber nicht zum Himmel, sondern er sah die Bärin an und dachte: Sie ist genauso schön wie ein Sternbild.
    Besonders gefiel ihm, dass sie nicht irgendeine Bärin war, sondern eine Brillenbärin . Ihr Fell war genauso schön gemustert wie seins. Und genauso wunderbar weich.
    Und dann dachte er noch, dass er irgendetwas sagen sollte. Es war bestimmt unhöflich, neben einer Bärin zu sitzen und zu schweigen.
    »Bist du hier aus der Gegend?«, fragte er.
    »Nein, bin schon ziemlich weit gelaufen.«
    »Und wo willst du hin?«
    Sie zuckte mit den Schultern: »Weiß nicht, hab kein Ziel. Irgendwohin, wo es schön ist. Wo es einen Fluss gibt mit Lachsen und viel Wald und Wiesen und Himmel.«
    Der Bär schwieg zwei Minuten lang und fragte dann: »Willst du nicht ... für eine Weile bei mir bleiben? Ich meine, nur wenn du es wirklich nicht eilig hast. Wir könnten zusammen Radio hören und Sprichwörter aufschreiben und mit meinen Freunden Löwenzahnsalat essen und viele andere Sachen machen.«
    Komischerweise dachte er in diesem Augenblick überhaupt nicht daran, dass er doch die Sorte Bär war, die immer allein lebt. Und dass seine Hütte angeblich viel zu klein war für zwei.
    Die Bärin sah in den Himmel und über die Wiese. Schließlich blickte sie den Bären an und sagte: »Hm, das klingt gut. Eine kleine Weile könnte ich schon bleiben, bevor ich weiterziehe.«
    Der Bär machte vor Freude sechs oder sieben Purzelbäume und die Bärin tat es ihm gleich.
    Sie saßen noch lange auf der Wiese und redeten und zeigten einander die Sternbilder. Dann wurden sie still und müde. Und als sie endlich einschliefen, legte sich das Mondlicht über sie wie eine Decke.

Abschied
    Die Bärin blieb drei Tage. Sie hätte auch zwei Tage bleiben können oder vier. Aber der Bär hatte gesagt: »Die Zahl aller guten Dinge ist drei.« Das stand auf einem seiner vielen Zettel, und er hatte es vorgelesen, bloß so, ohne Grund und ohne Absicht. Hätte er gewusst, dass die Bärin das Sprichwort so ernst nahm, hätte er es schnell verändert: »Die Zahl aller guten Dinge ist dreitausend.« Dann wäre sie vielleicht dreitausend Tage geblieben. Aber das »vielleicht« zählte nicht.
    Sie ging in Richtung Westen. Sie erklärte nicht, warum sie fortging und ob sie anderswo vielleicht etwas zu erledigen hatte. Aber sie versprach wiederzukommen. Eines Tages.
    Der Bär stieg auf einen Hügel, von dem er eine gute Aussicht nach Westen hatte. Er sah ihr nach.
    Sie wird kleiner und kleiner, dachte er. Bald sehe ich nicht mehr, wenn sie stehen bleibt und zurücksieht und winkt. Jetzt ist sie nur noch eine Ameise. Und jetzt nur noch ein Stecknadelkopf.
    Dann war sie vollkommen verschwunden. Trotzdem blieb er noch stundenlang sitzen, so als erwartete er, dass sie umdrehen und zu ihm zurückkommen könnte. Aber das tat sie nicht. Als die Dämmerung anbrach, ging er langsam nach Hause. Er blies Trübsal und fragte sich immer wieder, warum die Welt so war, wie sie war, und nicht etwa

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