Typisch Helmut Schmidt: Neue kleine Geschichten über einen großen Mann (German Edition)
Schmidt einmal …
… den Weihnachtsbaum versteckte
Seit 1976 ist das neue Kanzleramt in Betrieb. Erstbewohner ist ein Mann, der sich gern so nüchtern gibt, wie er heißt: Schmidt, Helmut. Erstwohnsitz: Hamburg-Langenhorn.
Schmidt braucht nicht viel: immer eine Flasche Cola auf Vorrat, Reyno-Menthol-Fluppen und vielleicht mal eine Erbsensuppe zum Mittag.
Natürlich, er kokettiert auch mit diesem Image, denn an Selbstbewusstsein mangelt es ihm keineswegs, was alle, die unter ihm in Europa und weltweit Regierungschefs sein dürfen, jederzeit bestätigen können.
Der Mann, der sich »erster Angestellter der Republik« nennt, scheint also ideal zu passen zu einem Staat, der ja nicht weiter auffallen will – schließlich ist der Krieg noch nicht ganz so lange her. Pomp muss nicht sein. Man ist der Musterknabe in Bescheidenheit.
Doch 1982 wird der protestantische Norddeutsche ersetzt durch einen dicken Katholiken aus dem Süden: Helmut Kohl ist nun der Kanzler, und nun weht ein anderer Wind.
Kohl dröhnt, es müsse eine »geistig-moralische Wende« her, so als sei das Land völlig verlottert und stünde kurz vor dem Untergang.
Wie zu erwarten, wird daraus nichts – dafür kommt die geistlich-botanische Wende: Am 1. Dezember 1982 geht Kohl vors Kanzleramt und drückt einen Knopf. Neben dem Pförtnerhäuschen erstrahlt ein acht Meter hoher Weihnachtsbaum im Schein elektrischer Kerzen.
Vorgänger Helmut Schmidt hatte zwar auch einen Weihnachtsbaum, den aber im Innenhof des Kanzleramtes mehr oder weniger versteckt.
Der Protestant Schmidt hält nichts von Pomp und demonstrativer Heimeligkeit und Frömmelei. Später wird er einmal sagen, was er zum zweithöchsten Christenfest wirklich benötigt: »Ich brauche das Vaterunser, die Zehn Gebote, die Kirchenmusik und den Choral.«
Als Helmut Schmidt einmal …
… die Jolle eines Kanadiers verschmähte
Die SPD ist die Partei der Seefahrer: Helmut Schmidt trägt gern eine Helgoländer Lotsenmütze, macht auf Bismarck und navigiert laut eigenen Angaben die Bundesrepublik schon mal »durch schwere Gewässer«.
Peter Glotz, der intellektuelle Bundesgeschäftsführer, attestierte der SPD allerdings einmal die »Wendigkeit eines Supertankers«. Außerdem schenken sich die allzeit Käpt’n-Iglo-artig mit Pfeifen bewehrten Sozis (Engholm, Wehner, Schmidt) auf Parteitagen ständig maritime Steuerräder, um auf diese Weise zu verdeutlichen, dass sie »Kurs halten«.
Gemeinsam ist allen Sozialdemokraten auch die »Lust am Untergang«, die Willy Brandt den Seinen einmal attestierte.
Vielleicht hat der kanadische Premierminister Pierre Trudeau ja an all das gedacht, als er Helmut Schmidt im Sommer 1978 eine sogenannte »Laser-Jolle« schenkt.
Das war wohl falsch gedacht: Das sportliche Gerät (4,23 m lang, 1,73 m breit und nur 56,7 kg schwer) sieht eher aus wie ein größeres Surfbrett und wird von Helmut Schmidt auch dementsprechend betitelt: »Plättbrett« – auf Hochdeutsch »Bügelbrett«.
Was soll jemand, der Supertanker und schwere Stürme gewohnt ist, mit so einem Ding? Und wie soll ein Weltstaatsmann in so einer Nussschale, die nur deshalb nicht untergeht, weil die Seitenwände mit Schaumstoff ausgefüllt sind, seine Würde bewahren?
Wie auch immer: Das Ding vergammelt in Helmut Schmidts Bootsschuppen am Brahmsee. Der Kanzler bevorzugt weiterhin seine stabilere Conger-Jolle. Ein Gerät für Männer.
Die Kanadier bekommen Wind von Schmidts Jollen-Verweigerung, und als gar das Gerücht aufkommt, Schmidt habe die Jolle verschenkt, sind sie regelrecht sauer.
Regierungssprecher Bölling muss eingreifen. Er lässt dem kanadischen Kabinettschef Jacques Roi mitteilen, das Bötchen liege immer noch im besten Zustand im Schmidt-Schuppen. Und auch Schmidt fühlt sich genötigt, die Wogen zu glätten: Er traue sich mit dem sportlichen Ein-Mann-Boot nicht auf den Brahmsee: »Ich bin ja kein so junger Mann mehr.«
Doch soll man das einem Mann glauben, der kurz danach wieder ein ganzes Land »durch schweres Fahrwasser« steuert?
Als Helmut Schmidt einmal …
… von einem Rollkragenträger mit
Hornbrille zum Weltretter erklärt wurde
Spätestens 1974, als Helmut Schmidt Kanzler wird, muss einem Mann mit Hornbrille und Rollkragenpullover klar sein: Freundschaft wird das nicht mehr.
Erhard Eppler stammt aus einem ur-protestantischen schwäbischen Elternhaus und ist zum Zeitpunkt von Schmidts Wahl zum Bundeskanzler Entwicklungshilfeminister. Allerdings nicht mehr
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