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Typisch Helmut Schmidt: Neue kleine Geschichten über einen großen Mann (German Edition)

Typisch Helmut Schmidt: Neue kleine Geschichten über einen großen Mann (German Edition)

Titel: Typisch Helmut Schmidt: Neue kleine Geschichten über einen großen Mann (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jost Kaiser
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Schmidt.
    Seit der »Nacht von Mogadischu« gilt Helmut Schmidt als tatkräftig, entscheidungsfreudig, als ewiger Herr des Verfahrens und als krisenresistent.
    In Frankreich, das sich als genussfreudiges Gegenstück zur nüchternen Bundesrepublik gefällt, nennt man Schmidt hingegen gern abschätzig »Le Feldwebel«. Wahrscheinlich ist das gleich doppelt abschätzig gemeint: Revolution können sie hier besser, und wenn der westliche Nachbar schon mal autoritär regiert wird, dann wenigstens von einem General statt von einem Unteroffizier.
    Helmut Schmidt fährt trotzdem gern nach Frankreich. Schließlich regiert hier Giscard d’Estaing, ein großbürgerlich wirkender Mann, der allerdings aus einem Freiherrengeschlecht stammt und schon mal zur Wildschweinjagd bläst.
    In Giscards É lysée-Palast kann Schmidt zwischen Louis-seize-Stühlen Urlaub machen von all den inkompetenten Sozialstaatsterroristen der linken SPD und dem Landgrafen Otto von der FDP.
    Jedenfalls zählt Schmidt Giscard zu seinen Freunden, und vielleicht ist es kein Zufall, dass »Le Feldwebel« ihm im Februar 1980 quasi in die Arme fällt.
    Bei einer Unterredung mit Giscard verdreht der Kanzler plötzlich die Augen und sackt ohnmächtig zusammen. In seinen Memoiren schreibt der französische Staatschef später: »Diese Krankenwache hat etwas von einer Shakespeare-Szene. Was würde wohl die Öffentlichkeit, die Menge dazu sagen, wenn sie uns so sähe, Helmut auf dem Sofa und mich, wie ich hilflos neben ihm wache, ohne ihm helfen zu können?«
    Natürlich sagt die Öffentlichkeit gar nichts, denn sie erfährt nichts davon.
    Und Schmidt? Der macht nach dem Schwächeanfall einfach weiter, als sei nichts geschehen. Und vielleicht wurde in diesem Moment für Giscard aus »Le Feldwebel« Helmut. Dabei ist der Kanzler gar kein Feldwebel, sondern seit 1958 Hauptmann der Reserve.

 
    Als Helmut Schmidt einmal …
    … mit Italien jubelte
    Helmut Schmidt mag Sandro Pertini, den italienischen Staatspräsidenten. Mit seiner dicken Hornbrille sieht der ältere Herr ein bisschen so aus wie der erste sozialdemokratische Bundeskanzler Gustav Heinemann, geht aber – anders als der strenge Pietist – nicht zum Lachen in den Keller.
    Wenn Schmidt und Pertini sich begegnen, ist das immer eine denkwürdige Angelegenheit.
    So auch 1982 in Madrid, als die beiden auf der Ehrentribüne des Estadio Santiago Bernab éu am 11. Juli gemeinsam das Endspiel der Fußballweltmeisterschaft sehen. Deutschland spielt gegen Italien.
    Die WM ist für Deutschland mies gelaufen: Zwar hat man das Halbfinale gegen Frankreich gewonnen, aber nach einem hässlichen Foul von Toni Schumacher an Patrick Battiston spricht die französische Presse von deutschen »Panzern« und Gestapo-Methoden. Der hässliche Deutsche ist wieder da. Die Empörung geht so weit, dass der ohnehin nicht fußballbegeisterte Schmidt mit dem französischen Staatspräsidenten Mitterand in einer gemeinsamen Presseerklärung zur Mäßigung aufrufen muss.
    Und nun sitzt Schmidt neben Pertini und sieht in der 56. Minute das 1:0 für Italien durch Paolo Rossi. In der 68. Minute sieht er das 2:0 durch Marco Tardelli. Und er sieht, wie in der 80. Alessandro Altobelli zum 3:0 einnetzt, das der kickende Waldschrat Paul Breitner mit seinem 1:3 nur noch kosmetisch aufbessern kann.
    Pertini jubelt, ballt die Fäuste, tanzt. Schmidt klatscht und grinst so enthemmt, dass seine perfekte Zahnreihe im Flutlicht schimmert.
    Am nächsten Tag rumort es. »Verrat« schallt es aus den Reihen der Deutschland-Fans, die man damals noch »Schlachtenbummler« nennt.
    Die Frage »Durfte Schmidt grinsen?« löst zwölf Jahre nach der historischen Geste von Willy Brandt am Warschauer Ghetto-Ehrenmal die seinerzeit vom Spiegel gestellte Frage ab: »Durfte Brandt knien?« Sind die Sozis also doch Landesverräter, egal ob in Warschau oder Bernab é u?
    Doch Schmidt konnte nicht anders. Als Begründung für seine plötzliche Fußballbegeisterung sagt der Kanzler, er habe sich einfach am spontanen, überschäumenden Jubel von Sandro Pertini erfreut.

 
    Als Helmut Schmidt einmal …
    … die Pressefreiheit einschränkte
    Wenn Helmut Schmidt im Bundestag spricht, kann es schon mal vorkommen, dass jemand »Oberlehrer« dazwischenruft. Das wäre die harmlosere Variante. Sehr beliebt bei Schmidt-Auftritten ist allerdings auch der Einwurf »Oberleutnant«. Das ist nicht gerade nett gemeint und auch noch falsch. Erst war er, wie die meisten seiner Generation,

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