Typisch Helmut Schmidt: Neue kleine Geschichten über einen großen Mann (German Edition)
in der Wehrmacht. Drei Jahre nach Gründung der Bundeswehr wurde er im März 1958 zum Hauptmann der Reserve befördert.
Schmidt ist zweifellos ein Mann, der Autorität schätzt. Vor allem seine eigene – denn was soll man machen, wenn alle anderen dümmer sind als man selbst? Richtig – man übernimmt notgedrungen den Job und geht voran.
Immer wieder zu spüren bekommen Schmidts autoritäre Anwandlungen diejenigen, die in der Demokratie eher fürs Antiautoritäre, fürs Kritische zuständig sind: die Journalisten. Schmidt bezeichnet sie gern schon mal als »Banditen« oder »Wegelagerer«. Und die, darunter viele Angehörige der studentisch bewegten antiautoritären Generation, sind nicht gerade Schmidt-Fans. Sie trauern immer noch »Willy« nach, dem großen Sanften.
Einmal jedoch gelingt es Schmidt, die Pressemeute so zu kommandieren, wie es ihm angemessen erscheint.
Dezember 1977. In der Regierungsmaschine, einer kleinen VFW 614 mit 40 Plätzen, sitzt der Kanzler vorn im Kanzlersessel, hinter ihm sitzen die mitreisenden Journalisten. Der Kanzler war gerade in Italien. Mit dem dortigen Ministerpräsidenten Andreotti gab es Verstimmungen. Jetzt ist – dank Schmidt – alles wieder gut.
Als die Maschine anrollt, winkt Schmidt zum Abschied am Kabinenfenster. Aber das reicht ihm nicht. Kanzlerbefehl nach hinten an die freie Presse der Bundesrepublik Deutschland: »Los, ihr müsst zum Abschied winken. Das gehört sich so.«
Die freie Presse tut wie befohlen und winkt mit Taschentüchern und Kotztüten, bis weitere Befehle vom Kanzlersessel ergehen.
Nächster Schmidt-Befehl, kanzlergemäß knapp: »Sense.«
Die Wink-Elemente im Presseabteil werden wieder verstaut, und Schmidts 30-sekündige Kontrolle der Pressefreiheit ist zu Ende.
Als Helmut Schmidt einmal …
… mit dem Rauchen aufhörte
Helmut Schmidt gehört nicht zu den Menschen, die ständig mit dem Rauchen aufhören – bevor sie sich die nächste Zigarette anzünden. Der Kanzler pafft einfach weiter seine täglichen 40 Reyno-Menthol-Zigaretten.
Schmidt ist da ganz auf der Linie seines Lieblingskomponisten Johann Sebastian Bach. Der hatte 1704 in seiner Arie »Gedanken eines Tobakrauchers« getextet:
Ich kann bei so gestalten Sachen
mir bei dem Tabak jederzeit
erbauliche Gedanken machen.
Drum schmauch ich voll Zufriedenheit.
Doch zweimal hat er es dann doch probiert. Die 500-jährige Weltgeschichte des Tabakkonsums verzeichnet zwei Entzugsversuche von Helmut Schmidt:
Im Frühjahr 1966 stellt der frischgebackene Fraktionsvorsitzende das Rauchen vorübergehend ein. In den ersten acht Tagen danach wird er fünf Kilo schwerer. Herbert Wehner hingegen pafft weiter Pfeife und löst Schmidt 1969 prompt als Vorsteher der SPD-Abgeordneten ab.
Das zweite Mal wird Schmidt – inzwischen Kanzler – im Oktober 1980 abstinent. Im Dezember raucht er dann auch die letzte Pfeife.
Im März 1981 kommt Felipe Gonz á lez, der spanische Sozialistenführer, nach Bonn und spricht beim Kanzler vor, der durch den Nikotinentzug diesmal acht Kilo zugenommen hat.
Gonz á lez ist eher ein Kumpel von Willy Brandt. Beim Fototermin stehen die beiden herum und wissen nicht, was sie sagen sollen. Der Spanier durchbricht die Stille und versucht einen Scherz: »Sie sind aber dick geworden.« Der Kanzler erwidert: »Weihnachten habe ich mir das Rauchen abgewöhnt, Ostern werde ich auch noch aufhören zu essen.« Dann bricht Schmidt den Fototermin abrupt ab und eilt davon.
Trotz dieser Erlebnisse ist der Kanzler, was die Tabakabstinenz angeht, optimistisch. Im Frühsommer 1981 verkündet er: »Jetzt bin ich darüber hinweg.«
Kurz darauf fängt Schmidt wieder mit dem Rauchen an.
Als Helmut Schmidt einmal …
… trotz RAF den Sekt selber holte
Am 19. Oktober 1977, es ist der Höhepunkt des »deutschen Herbstes« – Hanns Martin Schleyer ist bereits tot im Kofferraum eines Audi gefunden worden –, schickt die RAF dem Kanzler Liebesgrüße aus dem Untergrund: »Wir werden Schmidt und den ihn unterstützenden Imperialisten nie das vergossene Blut vergessen.«
Natürlich gilt für Schmidt schon längst die Sicherheitsstufe 1 gefährdeter Personen. Sein Haus im Neubergerweg 80/82 ist für 600 000 Mark gegen Raketenangriffe gesichert worden. Vor dem Schmidt-Domizil steht ein Häuschen für die Beamten des Sicherheitskommandos, für das Schmidt – wie jeder andere Bür ger – eine Baugenehmigung beantragen musste. Und vor Schmidts Wochenendhaus am Brahmsee ist eine
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