Tyrannenmord
Werbetrommel gerührt hatte, versprach sich von seinem parallel dazu laufenden Motomarkt einiges und rieb sich in Erwartung der saftigen Standmieten die Hände. Es galt früh aufzustehen, um rechtzeitig alle Stände zu organisieren und zu vergeben. Deshalb zog er sich alsbald in die hinteren Wohnräume zurück. Seine Frau war bereits schlafen gegangen und so hatte er mit seiner Kundschaft allein anstoßen müssen. Und weil er beileibe kein Kostverächter war, breitete sich in seinem untersetzten, kräftigen Körper bald wohlige Müdigkeit aus. Er malte sich den zu erwartenden Geldsegen schön und sonnte sich darin, wie plietsch es von ihm gewesen war, als er die Hausweide hinter dem Lokal gleich dazu gepachtet hatte. Seine Frau, von eher zarter Statur und aus weicherem Holz geschnitzt, war dagegen gewesen.
Und dann könnte er auch endlich einige ihm auf den Nägeln brennende Dinge in Ordnung bringen, denn natürlich wusste er von ihrem Geliebten Sven Bothe, da konnte sie noch so heimlich tun. Ausgerechnet einen von den Kopenhagener Bandidos. Thomsen spülte seinen Ärger mit drei Fläschchen Magenbitter hinunter, von denen er immer ein Päckchen auf seinem Nachtisch stehen hatte.
Dann entledigte er sich bedächtig seiner Lederkluft, warf seinen schweren Körper auf die Seite und war im nächsten Moment eingeschlafen.
Später meinte er im Halbschlaf die Geräusche eines Treckers gehört zu haben, aber da die Landwirte ab und an auch des Nachts auf den umliegenden Feldern unterwegs waren, blieb er gleichmütig liegen. Und bevor er überprüfen konnte, ob es sich um reales Geschehen handelte oder ob er nur geträumt hatte, schlief er abermals ein, bis er von einer merkwürdigen Übelkeit erfasst, schon am frühen Morgen ins Bad torkelte und sich mehrmals übergab. Als er langsam zurück zur Besinnung kam und gerade des schlechten Geschmacks wegen einen Glimmstengel zwischen die Lippen schieben wollte, bemerkte er, dass sich über das gesamte Haus ein widerlicher Gestank von Tierexkrementen gelegt hatte. Thomsen zog fluchend seinen Bademantel über und taumelte zur Tür, die er augenblicklich wieder zuzog, denn hinter dem Haus, auf dem Platz wo der Mogo sowie der Motomarkt stattfinden sollte, war offensichtlich in der vergangenen Nacht Gülle gefahren worden. Der Boden war nicht nur frisch getränkt, sondern auf dem ganzen Gelände hatten sich große Lachen gebildet, über die warm und schwer, stinkende Ammoniak-Schwaden waberten. Thomsen schimpfte lauthals und verwünschte sich, dass er den nächtlichen Geräuschen nicht gleich gefolgt war, denn die geplante Veranstaltung konnte er nun vergessen.
Und das, wo er so viel Geld, Arbeit und Kraft investiert hatte. Sein Plan war es, die Kneipe in eine Kultstätte, einem Mekka für Biker auszubauen, in dem alle Fäden bei ihm zusammenlaufen würden. Natürlich konnte er sich gleich zusammenreimen, wer womöglich dahintersteckte, und wie immer fragte er nicht lange, sondern schwor Rache.
Inzwischen war draußen um den Strandweg herum, an dem der große Campingplatz angrenzte und sich außerdem ein gehobenes Restaurant, mehrere kleinere Läden und Fischbuden befanden, einiges in Aufruhr geraten. Menschen rümpften mehr oder weniger die Nase, palaverten wild durcheinander und wiesen auf die geplante Versammlungsstätte hinter dem Bikertreff. Gerade hielt Hensel mit seinem nagelneuen, in blau-silber lackierten Streifenwagen vor der Kneipe und Thomsen, der bisher das Geschehen verstohlen beobachtet hatte, winkte ihn in die Gaststube.
»Bin sofort da, Hensel«, empfing ihn der Kneipier unfreundlich. Der Polizist hörte zwangsläufig mit, wie dieser in herrisch, keinen Widerspruch duldenden Ton im Nebenzimmer seine Frau anwies, die Listen der Standbetreiber durchzugehen und allen abzusagen.
»Ja, Thomsen, das trifft sich gut«, eröffnete der Polizist das Gespräch, »dann kann ich bei dir ja gleich mit meinem Interview beginnen.«
Eigentlich war es auf dem Lande üblich, jedenfalls unter den Alteingesessenen, sich zu duzen und beim Vornamen zu nennen. Beide Männer waren aber von Anfang an nicht warm miteinander geworden, was sich nach einigen Delikten Thomsens, die ein Einschreiten Hensels seitens der Executive hatte erforderlich werden lassen, in gegenseitige, blanke Abneigung verwandelte. Und diese unüberwindbare Distanz drückte sich unter anderem darin aus, dass sie sich zwar duzten, dennoch nur mit ihrem Nachnahmen ansprachen und das klang ziemlich
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