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Tyrannenmord

Tyrannenmord

Titel: Tyrannenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roy Jensen
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Beifahrers zu verarbeiten. »So frühzeitig habe ich gar nicht darüber nachgedacht und ich muss ehrlich zugeben, später eigentlich auch nicht. Nina und ich haben uns, ohne je groß darüber zu sinnieren, spontan kirchlich trauen lassen, mit allem, was halt dazugehört.«
    Die Frage nach dem Hochzeitsmarsch verkniff sich Joe mit Rücksicht auf die eh schon desolate Stimmung des jungen Gastronomen, aber eine Spur von feiner Ironie in seiner Stimme mochte er dennoch nicht unterdrücken. Als er nach den festgebundenen Blechdosen an der Brautpaar-Karosse und der unausweichlich folgenden, unentwegt hupenden Autokarawane fragte, die damit vorzugsweise den Wonnemonat Mai beglückte.
    Ben, in der Tat durch die Ereignisse unausgeglichen und angespannt, war die Ironie, die er als Überheblichkeit empfand, durchaus nicht entgangen und er lächelte gereizt. »Inzwischen sehe ich das anders, besonders die letzten Vorkommnisse haben mich natürlich wachgerüttelt. Ich gebe gern zu, wenn es nicht dazu gekommen wäre, hätte ich mich wohl lieber weiter mit meinen Kochrezepten, als damit befasst. Dennoch solltest du, Joe, den Menschen einräumen, dass halt jeder seine eigene Entwicklung durchmacht, und das hängt von vielen äußeren, zumeist zufälligen Umständen ab.«
    »Aber darum bemühe ich mich doch«, entgegnete Joe nun seinerseits etwas verschnupft, »aber verbiegen lasse ich mich deswegen nicht!«
    Nach einer Weile betretenden Schweigens, in der jeder der Männer seinen eigenen Gedanken nachhing, fragte Ben seinen Beifahrer, ob er denn überhaupt noch an irgendetwas glauben würde.
    »Mit dem Begriff ›Glauben‹ habe ich so meine Probleme, ich möchte da eigentlich allenfalls von subjektiven Vorstellungen sprechen, denn Objektives aus Menschensicht gibt es nicht«, antwortete Joe, dem seine Verstimmung nicht mehr anzumerken war.
    »Und was kann ich mir darunter vorstellen?«, fragte Ben weiterhin leicht gereizt, da er spürte, dass er dem welterfahrenden Joe intellektuell nicht das Wasser reichen konnte.
    »Na ja«, entgegnete Joe daher ohne Umschweife, »ich sehe es eher wie Spinoza, der in Gott keine zu personifizierende Figur sieht, sondern die reine Natur und dass Gott als etwas Imaginäres in jedem Grashalm zu finden ist. Mit dieser Auffassung kam ich übrigens während meiner Jahre in Arizona bei den dortigen Indianern sehr gut klar.«
    »Wir sind gleich da«, antwortete Ben unvermittelt und gleichzeitig froh, sich fürs Erste nicht auf Joes zum Teil philosophische Ansichten weiter einlassen zu müssen.
    Sie fuhren die abschüssige Kaistraße hinunter, von der sich ein grandioser Ausblick auf den untenliegenden Hafen bot. Die große Werft am anderen Ufer wirkte mit ihrer hellen Fassade im Licht des frühen Nachmittags vor dem tiefblauen Himmel seltsam steril und doch hatten die Formen in ihrer ästhetischen Klarheit für Joe etwas Erhabenes.
    Bevor sich Joes Fantasie mit dem soeben gewonnenen Eindruck weiter auseinandersetzen konnte, war das kleine, homogen erhaltene, historische Stadtviertel hinter der Johanniskirche schon erreicht.
    »Ach, sieh mal einer an«, knurrte Joe und stieß einen kurzen, scharfen Pfiff aus, »wie idyllisch und geradezu beschaulich unser Herr von Merkwürden hier inmitten der städtebaulichen Sahnestücke doch lebt.«
    »Ja, natürlich, selbstredend«, ergänzte Ben mit einem Anflug von Bitternis, »so ist es richtig: anderen Menschen ihre Seelenruhe rauben und selbst zentrumsnah, sogar weitgehend autolos leben, und keine rasenden Bikerhorden vermögen je – entsprechend dem St.-Florians-Prinzip – die himmlische Ruhe dieses verdammten Kirchenheinis zu stören.«
    Nachdem die beiden Männer für den Pick-up ein paar Straßen weiter einen Parkplatz gefunden hatten, nahmen sie das ältere Wohngebäude ins Visier, das ganz offensichtlich zum Ensemble – Kirche, Pfarrei und Gemeindehaus – gehörte. Die junge Frau, die auf ihr Klingeln hin öffnete, verwies sie auf den hinteren Teil des Kirchengrundstückes, wo der Herr Pfarrer ausnahmsweise mal rein irdisch beschäftigt ganz profan an seinem Motorrad herumschrauben würde.
    In den erwähnten Bereich gelangt, war das Erste, was sie zu sehen bekamen, der Rücken eines karierten Hemdes, dessen Besitzer sich mit geradezu liebevoller Hingabe seinem chromblitzenden Allerheiligsten widmete.
    »Grüß Gott auch, Euer Hochwürden«, sagte Joe, statt des üblichen Moin, moin.
    »Das ist für mich hier die reinste Meditation«, erklärte der

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