Tyrannenmord
gewiefter Typ ist das wohl, als Theologe schon von Haus aus im Reden gewandt und er lässt sich offensichtlich nicht so schnell die Butter vom Brot nehmen«, antwortete Joe, während er gerade die Anhöhe zurück nach Mürwik hinauf nahm.
»Meinst du denn, dass sich da überhaupt was bewegen ließe?«, hakte Ben nach und seine Stimme hatte einen deprimierten Beiklang.
»Natürlich, denn Allahs Wege sind keinesfalls einfältig, du Sohn der Verzagtheit, sondern vielschichtig und wundersam«, gab Joe sich nun seinerseits betont salbungsvoll, ja fast blumenhaft orientalisch und unternahm damit einen kurzen Versuch, die ganze Geschichte aufzulockern. Nachdem er einen flüchtigen Seitenblick auf Ben geworfen hatte, wurde er jedoch gleich darauf wieder ernst. »Eigentlich schwer zu sagen«, ging er auf Bens anfängliche Frage ein.
»Wie meinst du das jetzt«?, bohrte Ben, weiterhin um eine positive Gewissheit bemüht.
»Na ja, ich stelle mir gerade vor, ob der werte Herr Pfarrer, das bei sich selbst zulässt, was er sonst als Profi in seinem Hauptberuf treibt, nämlich seine Schäfchen zu bekehren.«
»Na und«, reagierte Ben gereizt, »der werte Herr wird natürlich Wasser predigen und selbst Wein trinken, das kennt man doch.«
»Genaues weiß man nicht«, antwortete Joe ausweichend, »ich habe jedoch gelernt, wenn auch recht mühsam, dass diese vorauseilende Schwarzmalerei, einem im Leben viele Chancen von vornherein verbaut, da man diese so gar nicht erst wahrnimmt. Und deshalb ist ›Versuchen, versuchen, immer wieder versuchen‹ meine Devise, die ich allerdings ständig aufs Neue in mir wachrufen muss, da bekanntlich eine der sieben Todsünden, womit wir erneut bei Hochwürden gelandet wären, die Trägheit ist.«
»Das heißt also, dass du in diesem Fall die Hoffnung nicht aufgegeben hast?«, fragte Ben.
»Ja und nein.« Joe wiegte bedenklich seinen Kopf hin und her. »Mehr kann ich dir, wenn ich ehrlich bin, im Moment wirklich nicht dazu sagen.«
Als sie nach Erreichen des Haupthauses ausstiegen, kam ihnen Nina mit ihrem Söhnchen bereits entgegen.
Für heute hätte Joe sich am liebsten verkrümelt, um nicht weiter dem tragischen Frage-und-Antwort-Spiel der beiden jungen Wirtsleute ausgeliefert zu sein. Es war ihm zwar nicht sonderlich anzumerken, aber die Begegnungen mit Leuten, die rücksichtslos auf Kosten anderer ihr Ding durchzuziehen gedachten, hatte in seinem Innern natürlich einigen Zorn hochkochen lassen. Zudem fühlte er sich für die ganze Gegenwehr mitverantwortlich – in erster Linie besonders herausgefordert durch die Anfälligkeit seines Vaters, aber auch das Schicksal der jungen Wirtsfamilie, den treuen Raoul mit eingeschlossen, konnte ihm nicht gleichgültig bleiben.
Somit siegte letztlich seine Loyalität gegenüber den Menschen über die eigenen Belange und er folgte Ninas Einladung zu einem Kaffee, die mit Ben und ihrem Sohn an einem der Tische in der momentan leeren Gaststube Platz genommen hatten.
Während der kleine Moritz sich quirlig von der Mutter lösend, hüpfend in der nahen Küche verschwand, wo das dampfende Fauchen einer Kaffeemaschine sowie Raouls Stimme zu vernehmen war, schilderte Joe die Vorfälle der letzten Stunden. Da er nichts beschönigte, vertieften sich in Ninas Gesichtszügen die Sorgenfalten, und die wachsende Betroffenheit war ihr deutlich anzusehen.
Aber anders als ihr Mann konnte sie sich innerlich zumeist, trotz starker Emotionen, halbwegs zur Ordnung rufen, sodass sie am Ende von Joes Bericht doch einen relativ gefassten Eindruck machte.
Als sie Joe zum Abschied zur Tür brachte, merkte sie noch an, dass es also nach wie vor für sie nicht allzu gut stände und dass der Funke Hoffnung, den sie gerade hegte, wohl bald aufgebraucht sein würde?
Joe spürte in sich den Drang, ihr Mut zu machen, und meinte, man solle ›wenn schon, denn schon‹ notfalls bis zum Ende kämpfen, auch wenn es streckenweise manchmal aussichtslos erschiene. Und außerdem, schloss er bekräftigend ab – denn es sollte ermunternd klingen – wäre ja noch nicht aller Tage Abend.
8. Alte Feindschaften
Freitagabend, es war zu vorgerückter Stunde und alle Stühle bereits hochgestellt. Thomsen, der Kneipier des Bikertreffs, machte gerade Kassensturz, während sein Gehilfe nach dem Gläserspülen die Tische abwischte und den Fußboden feudelte. Morgen, am späten Vormittag, würde wieder der Mogo stattfinden und Thomsen, der inzwischen in Bikerkreisen ordentlich die
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