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Tyrannenmord

Tyrannenmord

Titel: Tyrannenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roy Jensen
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ehemals eine Kleinstadtpflanze, war als einfacher Dorfpolizist und Häuslebauer in diesem nördlichen Landstrich hängen geblieben. Eigentlich hatte er ursprünglich nach einigen Jahren als Streifenbeamter zur Kripo wechseln wollen. Aber er mochte inzwischen die Übersichtlichkeit des Landlebens sowie die relative Voraussehbarkeit seiner Einsätze im Gegensatz zur Stadt, wo sich wegen sozialer Brennpunkte mehr Unwägbarkeiten ergaben. Auch wäre ihm ein weiteres Drücken der Schulbank nicht erspart geblieben. Nach seiner Heirat kamen in rascher Folge zwei Kinder und da die kleine Familie ernährt werden wollte, blieb er seiner neuen Heimat treu und ging die gewohnten Pfade weiter.
    Und die waren durchaus nicht immer so ganz ohne. Traf es nicht unbedingt den Geschmack eines jeden Zugezogenen, sich an die dörfliche Leitkultur zu halten, die die Beteiligung an Dorf-Events wie Feuerwehrball, Gänseverspielen oder die Allmende voraussetzte, so war der Verhaltenskodex für einen Dorfpolizisten bedeutend enger gefasst.
    Neben der sozialen Kontrolle wurden allerdings direkte Kontroversen zwischen den Dorfbewohnern, wenn überhaupt, nur sehr ungern ausgetragen. Denn gerade auf dem Land, wo jeder jeden kannte, hatte der Spruch ›Einmal verschissen, immer verschissen‹ im wahrsten Sinne des Wortes eine nachttragende, klebrige Bedeutung.
    So war es denn in der Tat für Hensel ein schmaler Grat, einerseits mit den Menschen einen guten Umgang zu pflegen und andererseits für Recht und Ordnung zu sorgen.
    Und es verlangte ihm einiges an Einfühlungsvermögen ab, ohne gleichzeitig die amtliche Neutralität zu vernachlässigen, wenn er, was in seinem Beruf unausweichlich war, hin und wieder zwischen die sich anfeindenden Kontraenden geriet.
    In manchen Situationen, so hatte er seine Lektion gelernt, war es angebracht, sich gegebenenfalls mal zurückzunehmen und beide Augen zuzudrücken, obwohl es nicht immer leicht war, die ausgleichende Mitte zu finden, mit der er ohne Selbstvorwürfe leben konnte.
    So kam es vor, dass Bauabfälle illegal entsorgt, sprich durch heißen Abbruch mit entsprechender Rauchentwicklung beseitigt wurden, die Sonntagsruhe durch Motorsensen und Rasenmäher gestört, Fußwege von parkenden Autos besetzt, Knicks illegal beseitigt oder Gartenabfälle mit Brandbeschleunigern aus Diesel ungeachtet der Windrichtung befeuert wurden.
    Absolutes Tabu aber blieben Dorffeste und private Feiern. Und dröhnende Lautsprecherboxen nach dem Motto ›Ohropax zwecklos‹ hatte dabei so mancher Nachbar gegen den eigenen Musikgeschmack bis in die frühen Morgenstunden zu ertragen. Doch jene litten stumm, denn hätten sie sich etwa geoutet, wären sie womöglich in die Annalen des Dorfes für immer und ewig als Spielverderber und Querulanten eingegangen.
    Dazu kam der Umgang mit uralten Seilschaften, deren Mitglieder sich bereits aus Kindertagen kannten und die nach wie vor den Schulterschluss gegen alles konfliktbeladene Neue von außen übten.
    Diesen besonderen Strukturen des Landlebens hatte Hensel Rechnung zu tragen, denn zeigte er zu schnell Präsenz, war der Vorwurf nicht weit, dass er sich dank seiner Amtsautorität nur künstlich wichtigmachen wollte.
    Natürlich ärgerten ihn die Versuche der Ausgrenzung, schließlich lebte er bereits über zwanzig Jahre hier – aber dann erinnerte er sich, warum er eigentlich Polizist geworden war. Die Vorstellung gab ihm immer wieder Kraft und am Ende beruhigte er sich.
    Thomsen, der durch Heirat über Nacht zum Besitzer des Resthofes am Ortsausgang aufgestiegen war, blieb relativ unauffällig, solange er als Bauhelfer am Tage unterwegs sein musste. Das änderte sich nachhaltig, als er, angeblich aus gesundheitlichen Gründen, den Anforderungen seines Berufes nicht mehr gewachsen war, und neben einem Schrottplatz eine Spedition ins Leben rief. Vielleicht aber hatte der vierschrötige Thomsen mit seinen Vorgesetzten einfach nur Ärger bekommen und wollte es endlich mal als sein eigener Chef versuchen.
    Wie dem auch sei, durch den aufgeblasenen Fuhrpark, der aus einem halben Dutzend mehr oder weniger gebrauchten Transportern bestand, und das Ansammeln von immer mehr Schrott, Ersatzteilen und uralten Baumaschinen, geriet das Grundstück zum Schandfleck des Ortes.
    Thomsens allgemein bekannte Rachsucht fürchtend, traute sich keiner der Alteingesessenen dagegen vorzugehen und Anzeige beim Ordnungsamt zu erstatten. Am liebsten hätten die, die sich jetzt so fein zurückhielten, ihren

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