Tyrannenmord
herab und Schmidt konnte sich bildlich vorstellen, dass dieser sich dabei erst nach allen Seiten verstohlen umgesehen hatte, bevor er weitersprach. »Ich habe meine Bienenkörbe direkt an der Grenze zum Grundstück des ›Utspanns‹ am Waldesrand aufgestellt, was den Vorteil hat, dass meine Bienenvölker im Rücken Windschutz durch das Gehölz haben und dennoch frei zu den übrigen Himmelsrichtungen ausschwärmen können. Besonders wenn der Raps blüht, ist das ein idealer Standort. Bauer Paulsen, wissen Sie, dem die hinteren Ländereien gehören, war so freundlich, mir den Zugang zu erlauben. Recht tut er damit, denn was wäre die Landwirtschaft denn nur ohne meine Bienen?«, wiederholte er sich, »so wäscht eine Hand die andere, nicht?«
»Lieber Herr Hohmann, Sie wollten mir sicher nicht die Bienenzucht erklären.« Schmidt sah kurz auf seine Armbanduhr. »Ich möchte Sie daher bitten, zu Ihrer eigentlichen Aussage zu kommen, denn ich erwarte einige andere Anrufe.«
»Ja aber, das gehört alles mit dazu, Herr Hauptkommissar«, erwiderte Helmut Hohmann jetzt offensichtlich eingeschnappt, »ein bisschen Lokalkolorit schadet wohl nicht gleich.«
»Ist schon gut, Herr Hohmann«, lenkte Schmidt daher ein. »Eigentlich haben Sie damit ja recht. Ohne die Bienenvölker würden wir Menschen ganz schön dumm aus der Wäsche kucken. Nur habe ich noch ein paar andere Termine auf dem Zettel.« Er sah zu Isabell hinüber, die sich gerade Notizen machte und auf Schmidts Zeichen hin den Lautsprecher anschaltete.
»Also, Herr Hohmann, nun erzählen Sie mal«, ermunterte Schmidt den Anrufer bewusst eine Spur sanfter, der sich ganz augenscheinlich ob des freundlichen Zuspruchs erstaunlich schnell eingekriegt hatte.
»Ja, also, Herr Hauptkommissar, es fing damit an, dass ich letzten Silvester mit einigen Jugendlichen des Dorfes Ärger hatte. Die ziehen an dem Tag rummelnd von Haustür zu Haustür, grölen irgendetwas, haben zumeist bereits einen in der Birne und wollen für ihr flegelhaftes Benehmen dann auch noch absahnen, am besten natürlich Schnaps oder gleich Bares. Nur gerieten sie da bei mir an den Falschen«, ereiferte sich Helmut Hohmann, der den damaligen Ärger noch immer nicht verdaut zu haben schien. »Denn mit mir nicht, mit mir nicht, Herr Hauptkommissar!«
Schmidt und Isabell hörten in der Leitung einige kurze, erregte Atemzüge.
»Anschließend haben sie meine Haustür mit Knallkörpern bombardiert, ich hatte Angst, da würde etwas zu brennen anfangen. Doch damit nicht genug, wurde mein schöner Briefkasten durch einen schweren Kanonenschlag total zerstört, dessen Wicklung ich erst viel später, im Frühjahr, beim Reinigen in meiner Dachrinne auffand. Da sich die Kerle noch immer in Nähe meines Grundstückes herumdrückten, fürchtete ich, dass sie mein Auto beschädigen würden. Ich habe dann unseren Dorfwachtmeister, den Herrn Hensel, von seiner wohlverdienten Silvesterparty wegtrommeln müssen. Sie können sich ja denken, Herr Hauptkommissar, dass dieser darüber nicht sonderlich erbaut war, grummelte was von: ›ich solle mich nicht so anstellen‹, und ›das wäre halt ortsüblich‹.« Der Alte geriet in der Erinnerung daran immer mehr in Rage. »Das fand ich nun überhaupt nicht witzig, dass er gerade mir als Alteingesessenen ’ne Lektion erteilen wollte. Dienst ist Dienst und Schnaps ist schließlich Schnaps, nicht wahr, Herr Hauptkommissar?«
»Und was geschah weiter?«, hakte Schmidt kurz angebunden nach, der wenig Lust verspürte, sich an der Kollegenschelte zu beteiligen.
»Na ja, schließlich hatte Hensel ein Einsehen und sich gnädigerweise zu mir her bemüht und die Brüder ins Gebet genommen. So hatte ich wenigstens in der restlichen Silvesternacht meine Ruhe, aber aufgeregt war man nach diesem ganzen Ärger natürlich, den ganzen Neujahrstag über habe ich immer wieder daran denken müssen … also schön ist was anderes, Herr Hauptkommissar!«
»Ich sehe noch nicht, Herr Hohmann, was das mit unserem Fall zu tun haben könnte«, wandte Schmidt recht behutsam ein, um den Alten nicht erneut zu verärgern.
»Aber die Hauptsache kommt doch jetzt«, entgegnete Helmut Hohmann. »Also, ich wollte die hässliche Sache von mir aus, auf sich beruhen lassen, keine Anzeige wegen des zerstörten Briefkastens machen und so weiter. Wollte die Gräben nicht weiter vertiefen, man weiß ja, wie das so ist, auf dem Dorf – einmal verschissen – immer verschissen. Aber diese Jugendlichen – sie
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