Tyrannenmord
wie erklären Sie uns dann, dass die Spuren des Schießpulvers an der Kleidung des Ermordeten chemisch genau identisch sind mit der Sorte, die wir an einem der Angelrutenfutterale aus ihrem Schuppen gefunden haben?« Schmidt sah an dem flackernden Blick Bergers, dass dessen Kartenhaus definitiv am Zusammenbrechen war und so schob er unvermittelt nach: »Übrigens gibt es einen Zeugen, der Sie zur ermittelten Tatzeit, hat nach Hause gehen sehen … und die Figur vor dem laufenden Fernseher, die für Ihr Alibi sorgen und den Nachbarn weismachen sollte, dass Sie daheim sind, war demnach nur ein Komplize.«
Schmidt bemerkte, wie Bergers Mimik sichtlich in Bewegung geraten war und fügte deshalb schnell hinzu: »Wenn Sie ein umfassendes Geständnis ablegen und uns Ihren Mithelfer nennen, würde das Strafmaß, da bin ich mir sicher, um einiges niedriger ausfallen. Andernfalls können Sie eigentlich alles nur noch verschlimmern. Ich nehme an, dass der Staatsanwalt Sie lediglich wegen Mordversuchs anklagen wird, da Ihnen jemand nur für Sekundenbruchteile zuvorgekommen ist.«
»Wozu, Herr Hauptkommissar«, entgegnete Berger müde, der, nachdem er erkennen musste, dass ihm all seine Felle davongeschwommen waren, nun offensichtlich gleich reinen Tisch machen wollte. »Das, was mir zur Last gelegt wurde, habe ich getan. Aber denjenigen, der mir geholfen hat, werde ich nicht preisgeben, selbst wenn ich dafür länger einsitzen muss. Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie jemanden verraten, besonders keinen, der mir in irgendeiner Form beigestanden hat – auch in der Legion nicht. Das können Sie Ihrem Herrn Staatsanwalt ruhig so übermitteln.«
Nachdem Berger dem Haftrichter vorgeführt worden war, wurde er wieder in seine Zelle gebracht.
»Na, Isabell, wie schätzen wir die Lage ein«, eröffnete Schmidt das anschließende Gespräch.
»Ich denke, damit ist, sagen wir mal so, der zweite Fall eines Mordversuchs aufgeklärt«, entgegnete Isabell. »Ein Geständnis haben wir jetzt und die Motivlage ist ohne Weiteres nachvollziehbar.«
»Ja, das sehe ich ganz genauso, Isabell«, bestätigte Schmidt. »Aber lass uns die Geschichte ruhig noch mal von vorn, aus der Sicht Bergers, aufdröseln. Also, da wird einem arbeitslosen, vorerst gescheiterten Mann, ohne große Vorbedingung eine echte Chance eingeräumt, und er rechtfertigt dieses nicht nur mit Dankbarkeit, sondern auch mit unermüdlichem Einsatz für seine jungen Arbeitgeber und fühlt sich fast wie ein vollwertiges Mitglied der Familie, wobei er klug genug ist, gewisse Grenzen nicht zu überschreiten.«
»Was meinst du damit genau?«, hakte Isabell nach. »Mit den Grenzen nicht überschreiten, Paul?«
»Ich meine damit«, Schmidt setzte sich halb auf die Kante seines Schreibtischs, »dass Berger, obwohl von sich aus mit der Familie gefühlsmäßig eng verwoben, nie distanzlos gehandelt hat, geschweige denn mal plump vertraulich geworden wäre – jedenfalls schätze ich ihn so ein –, und gerade das, zusammen mit seinen anderen Stärken, war es denn auch, was da so ideal in die kleine, idyllische Welt hingepasst hat.«
»Schön, schön, Paul, so könnte ich mir den Mann ebenfalls nach meiner bisherigen Beobachtung in etwa vorstellen«, erwiderte Isabell. »Aber rechtfertigt das einen Mord?«
»So gesehen, natürlich nicht. Und man kann sich auch immer wieder die klassische Frage stellen, wann sich dieser überhaupt rechtfertigt. Aber, interessant ist in dem Zusammenhang – ich weiß nicht, ob du mal davon gehört hast«, Schmidt rutschte von der Schreibtischkante und überflog mit seinen Blicken seine Fachbuch-Bibliothek, offensichtlich ohne direkt fündig zu werden, »dass das deutsche Recht seit 1968 ein Widerstandsrecht enthält, Artikel zwanzig, den Absatz habe ich nicht mehr parat – also, es schließt jedenfalls als letztes Mittel den Tyrannenmord gegen einen verbrecherischen Diktator nicht aus. Ich denke mal, das ist dem einstigen Hitler-Deutschland geschuldet und genau genommen hatten die Menschen hier in dieser Umgebung mit diesem Thomsen ja einen Tyrannen nebst treuem Gefolge zu ertragen – wenn auch im Kleinformat, nicht wahr?«
»Da habe ich ja direkt dazugelernt, Chef«, erwiderte Isabell lächelnd, so auf den Punkt gebracht, ist da wohl etwas dran, Paul – und übertragen auf unseren Fall hier ließen sich vielleicht sinngemäß insofern gewisse Parallelen ziehen, dass es auch hier auf der einen Seite um skrupelloses Machtstreben eines
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