Tyranninnen - Grausame Frauen der Weltgeschichte
und Schulter.“
Eine kritische Haltung gegenüber der Überlieferung nahm der schon erwähnte Geschichtsschreiber Strabo in seiner „Erdkunde“ ein:
„Die Geschichte der Amazonen zeigt viel Eigentümliches; in allen anderen Fällen kann man das Wahre von dem Falschen ziemlich leicht unterscheiden. Dennoch wird von den Amazonen noch dasselbe berichtet wie vor alten Zeiten, obgleich diese Erzählungen so abenteuerlich sind und sich so sehr von dem Anschein der Wahrheit entfernen, als es überhauptnur möglich ist. Wer sollte wohl glauben, dass ein Heer, eine Stadt oder ein ganzes Volk von Frauen ohne Männer bestehen kann und sogar über seine Nachbarn geherrscht und durch Kriege seine Macht bis nach Kleinasien und nach Attika ausgedehnt habe? Die kleinasiatischen Städte Ephesus, Smyrna, Kumä, Myrina, Paphos und viele andere Städte mehr sollen von ihnen erbaut und benannt worden sein. Was The- miskyra und die am Thermodon liegende Gegend betrifft, so wird dies überall das „Land der Amazonen“ genannt.“
Alle Schriftsteller stimmen darin überein, dass die Amazonen aus dieser Gegend vertrieben worden sind. Doch nur wenige Schriftsteller sagen uns etwas von ihrem späteren Aufenthalt.
Aus dem 4. Jahrhundert vor Christus werden von Strabo drei Begegnungen Alexanders des Großen mit den Amazonen erwähnt, die darauf schließen lassen, dass die Amazonen zu der Zeit noch existierten. Der Königs Pharasmenes, König der Chorasmier in der Nähe des kaspischen Meeres, fand sich mit 15000 Reitern bei Alexander dem Großen ein. Er verlangte als Gegenleistung für seine Unterstützung, dass sich Alexander gegen die Kolchier und Amazonen am Schwarzen Meer wendet. Der griechische König lehnte dies aber ab und bricht in Richtung Indien auf.
Strabo berichtet weiter, dass der persische Statthalter Atro- pates mit hundert berittenen Kriegerinnen Alexander begegnete. Der Perser gab sie als Amazonen aus. Sie waren wie Reiter gerüstet, außer dass sie Äxte statt Lanzen trugen und statt der großen Schilde kleine. Sie sollen eine kleine Brust gehabt haben, die sie in den Schlachten entblößten.
Die letzte dieser drei Begegnungen ist bei den antiken Autoren ausführlich erörtert worden. Bei Alexander fand sichdie Amazonenkönigin Thalestris mit 300 Begleiterinnen ein und äußerte den Wunsch, von ihm geschwängert zu werden. Glaubwürdige Historiker wie Arrian (2. Jhd. n. Chr.) stellen dieses Ereignis nachdrücklich in Abrede, weil es von den Zeitzeugen nicht erwähnt würde und die Amazonen zu dieser Zeit nicht mehr existiert hätten.
Strabo geht in seiner kritischen Einstellung zu den antiken Berichten aber zu weit, wenn er die Existenz der Amazonen insgesamt anzweifelt. Die moderne Archäologie hat durch umfangreiche Ausgrabungen im Schwarzmeergebiet und in der eurasischen Steppe den historischen Kern dieser Berichte über eine herausragende Stellung und besondere Rolle der Frauen bei den Skythen bestätigt. Den griechischen Männern sollte offenbar mit dem Schreckensgemälde der Amazonen vor Augen geführt werden, was ihnen bevorsteht, wenn sie einmal die Macht in der Gesellschaft verlieren würden. Ihre Frauen waren völlig in das Haus verbannt. Es galt als würdelos, wenn sich eine Frau auf der Straße zeigte. Von jeglicher Teilnahme am politischen Leben waren sie ausgeschlossen. Zu den Zusammenkünften der Männer, bei denen getrunken und gesungen, aber auch geistreiche Gespräche geführt wurden und die Anwesenden sich von Hetären, einer Art Freudenmädchen, unterhalten ließen, war ihnen der Zutritt verwehrt. Der griechische Mann konnte zu diesen geselligen Zusammenkünften seine Geliebte, aber niemals seine Ehefrau mitbringen. Dagegen galt der Ehebruch bei einer Frau als schlimmes Verbrechen. Die gesamte Ehe war ausschließlich Sache der Männer. Und auch wenn eine Frau juristische Probleme hatte, musste sie sich von ihrem Mann vor Gericht vertreten lassen.
Zusammenfassend lässt sich das, was nach modernem Wissensstand über die Amazonen bekannt ist, folgendermaßenbeschreiben: Die Skythen, ein Nomadenvolk aus der eurasisehen Steppe, das seit dem 8. Jahrhundert die Gebiete um das Schwarze Meer besiedelte, gehörten zu den Viehzüchternomaden, die seit dem 2. Jahrtausend die eurasische Steppe bis nach China hin besiedelten. Diese Nomadenstämme werden auch als Indoeuropäer bezeichnet. Die nomadische oder halbnomadische Lebensweise prägte auch die Stellung der Frau. Wenn es nämlich erforderlich war,
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