U47 mit Kapitänleutnant Prien gegen England - Der Bericht des Funkers Carl Steinhagen
wir noch ein Feuerwerk, wie es uns noch nie geboten wurde. Ein abgeblendetes Fahrzeug ist gesichtet. Wir dampfen es aus, sein Kurs wird festgestellt. Es läuft Richtung England, also ein feindlicher Dampfer. Bald ist er dicht bei uns, und er entpuppt sich als ein Tankdampfer. Ungefähr acht- bis zehntausend Tonnen mag er wohl haben. Der Torpedooffizier steht breitbeinig auf der Brücke und peilt ihn ein. „Rohr — los!" Schon kracht es drüben! Die Mannschaft hat wohl gerade noch Zeit, um in die Boote zu gehen, dann steigt ein ungeheurer Feuerschein auf. Für Englands Marine bestimmter Brennstoff! Nun wird es aber höchste Zeit, daß wir uns verdünnisieren. Wir sind dicht unter Land und die feindlichen Zerstörer laufen bestimmt nicht langsam.
Noch einmal in dieser Nacht ist uns das Glück hold. Wieder läuft uns dicht vor der englischen Küste ein Schiff vor den Bug. Die englische Flotte hat wirklich Pech, denn vor unseren Augen versinkt wieder ein 10 000 -Tonen-Tanker ins Reich Neptuns.—
Eines Tages wird dann vom Kommandanten der Rückmarsch befohlen. Mit langsamer Fahrt geht es aus dem Operationsgebiet nordwärts. Wir haben noch einen unklaren Aal im Rohr liegen, vielleicht kann auch dieser verschossen werden. Vorläufig sieht es noch nicht so aus, keine Rauchfahne ist auf dem weiten Wasser zu sehen. Zum Überfluß haben wir fast den halben Tag über einen dünnen Nebelschleier um uns. Trotzdem ist der Kommandant aber mit dieser Unternehmung zufrieden, brachte sie uns doch ungefähr 50 000 Tonnen ein, die jetzt auf dem Grunde des Atlantik liegen.
Unser alter I. W. O., Oberleutnant zur See Endraß, der inzwischen selber Kommandant geworden ist, hat uns nun doch auf seiner ersten Fahrt mit versenkter Tonnage überholt. 54 000 Brutto-Register-Tonnen hat er versenkt, also etwas mehr als wir. Nun gibt es ein furchtbares Arbeiten bei den Torpedomechanikern, der verfluchte Aal muß unbedingt klar werden, das Unmögliche muß möglich gemacht werden!
Sie haben es auch geschafft; und gerade zur rechten Zeit, denn am nächsten Morgen kommt uns ein ganz dicker Brocken entgegen. Der Dampfer ist schwer bewaffnet und läuft hohe Fahrt. Deswegen verzichtet er wohl auch auf den sonst üblichen Geleitzug. So schnell haben wir wohl noch nie einen Angriff durchgeführt. Kaum sind wir unter Wasser, bringt der Kommandant das Boot schon in Schußposition.
„Rohr — los!" Der Aal läuft! Und wenige Sekunden danach ein ungeheurer Knall! Ein Schrei der Entspannung geht durch unser Boot. Das schon deutlich hörbare Mahlen der Schiffsschrauben hört sofort auf, also es ist aus damit, nach Kanada zu fahren. Kapitänleutnant Prien beobachtet den Dampfer weiter und sagt laufend durch das Boot, was dort oben geschieht. Der Dampfer legt sich schon nach Steuerbord über, die Rettungsboote werden ausgeworfen. Dann verschluckt der Nebel das Bild.
So schnell und ruhig ging das alles bei uns zu, aber welche Spannung saß dahinter! Es hat bestimmt viele gegeben, die glaubten, der Aal würde vorbeirasen und sein Ziel verfehlen. Wahrscheinlich hat es geholfen, daß wir die Daumen so fest gedrückt haben. Schnell sehen wir unseren „Wahrsager" nach, das Schiff war 15 000 Brutto-Register-Tonnen groß. Eine einfache und glatte Rechnung, zusammen haben wir 66 000 Brutto-Register-Tonnen feindlichen Handelsschiffsraumes versenkt, eine bisher nie erreichte Zahl. Zu unseren schon vorhandenen neun Wimpeln kommt noch ein zehnter hinzu. Wir stellen selbst fest, daß es schön aussieht, wenn diese stattliche Zahl beim Einlaufen über unserem Turm wehen wird.
Auf der Heimfahrt erleben wir noch das seltene Schauspiel, daß sich zwei deutsche Unterseeboote auf See treffen. Beide Boote laufen dicht nebeneinander her, mit der Flüstertüte bewaffnet, unterhalten sich die beiden Kommandanten. Das andere Boot unter Führung von Kapitänleutnant Schulze will da hin, woher wir gerade kommen. Der Ring um England ist eben immer geschlossen. Wir können jetzt mit eigenen Augen sehen, wie wir wohl selbst in der See liegen, denn unser Schwesterboot vollführt wahre Tänze in der hochgehenden Dünung des Atlantiks. Daß es bei uns genau so ist, kommt uns gar nicht zum Bewußtsein; wir sehen es ja nicht, nur fühlen kann man es.
Wir haben jetzt nicht viel Zeit, Weihnachten steht vor der Tür. Ein Glück haben wir, daß wir dieses Fest in der Heimat im Kreise der Familie feiern können! Für das alte Jahr ist der Krieg erst mal erledigt.
Am 19. Dezember
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