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Über Alle Grenzen

Über Alle Grenzen

Titel: Über Alle Grenzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lama Ole Nydahl
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Freunde in ihr Büro gestopft hatten. Entweder wollten oder konnten sie nichts tun. Wir hatten jedoch die richtigen Mittel dabei, um es dennoch zu schaffen: Jeder brachte eine Flasche Whisky aus dem Flugzeug mit. Nachdem wir die dortigen Spitzenbeamten eine Woche lang in gehobener Stimmung gehalten hatten, gaben sie uns, was sie eigentlich weder konnten noch durften: eine Einreiseerlaubnis für Sikkim.
    Während der Wartezeit kam der Dalai Lama aus Sikkim. Obwohl die Menschen im Osthimalaya nicht besonders zu der Gelugpa-Linie stehen, waren sehr viele zu ihm gekommen. Er hatte auch die Menschen in und um Rumtek gesegnet. Bei unserem Gespräch hielt er meine Meditationskette - die Mala - und sagte: “Die ist kleiner als die, die ich dir im Kopenhagener Flughafen 1973 gesegnet habe.” Welches Bewusstsein! Er musste seit der Zeit Tausende von Malas in den Händen gehabt haben. Sehr beeindruckt antwortete ich: “Die Große ist bei meiner Mutter und passt auf sie auf.” Am Tag danach sprach der Dalai Lama zu unserer Gruppe. Alle hatten ihre beste Kleidung angezogen und machten diesmal der tibetischen Sache jede Ehre.

    Beim Dalai Lama in Darjeeling

    Wir erreichten Rumtek am 1. November 1981, genau wie Karmapa es bestimmt hatte. Viele Pujas wurden abgehalten, vor allem im kleineren, oberen Raum des Tempels. Dort stand eine lebensgroße Statue, eingehüllt in Karmapas Kleider. Sie hielt die geöffneten Hände auf Herzensebene vor die Heiligtümer der Linie. In die eine Handfläche war eine gelbe, in die andere eine grüne Scheibe gemalt, die die Kraft sammeln und übertragen sollen. Alle benahmen sich so normal wie irgendwie möglich. Man passte sehr auf, nichts zu tun oder zu sagen, was als ein schlechtes Zeichen hätte ausgelegt werden können. Schlechte Zeichen zeigten sich dann stattdessen in Träumen. Hannah empfing von den Dakinis, ihren Schwestern, einen “Telefonanruf”. Von ganz weit her erzählten sie ihr, dass Karmapa seine Arbeit für dieses Leben abgeschlossen habe. In der gleichen Nacht bekam ich die Besitztümer eines Weltenherrschers verliehen, den ich ausführlich im “ Mandala ”-Kapitel meines Buchs über die Grundübungen beschreibe.

    Rumtek, der Hauptsitz vom 16. Karmapa

    Als wir am nächsten Morgen - es war der 5. November - an einer Kronzeremonie von Gyaltsab Rinpoche teilnahmen, kam der junge Pönlop Rinpoche herein und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Im Nu änderte sich die Stimmung im Raum, und wir wussten alle, was geschehen war.
    Kurz danach versuchte eine Gruppe junger Mönche vergebens, Karmapas große Statue auf einer Holzplatte die Straße hinunter zu tragen. Endlich gab es eine Aufgabe für uns, und wir trugen die Statue auf unseren Schultern die elf Kilometer vom Kloster bis zum Fluss hinunter. Das war die direkteste Weise, unsere Liebe auszudrücken und Karmapa zu danken.
    Als wir über die Brücke gingen, verließ eine Kraft die Statue. Das Gesicht fing an zu bröckeln, Finger fielen ab, und ich hätte sie am liebsten genau an dieser Stelle ins Wasser geworfen. Geblieben war ja nur die leere Form. Die Tibeter, die einen Lastwagen besorgt hatten, waren aber anderer Meinung. So gaben wir die Statue an sie weiter. Hinterher hörten wir, dass sie sowohl Schwierigkeiten mit den Indern als auch mit dem Fahrzeug bekommen hatten und gezwungen worden waren, die Statue ein paar Kilometer weiter im Fluss abzuladen.

    Auf dem Weg zum Fluss

    Als wir wieder hinaufkamen, wachte das Kloster auf, aber anders, als man es sich wohl vorstellte. Statt Jammern und Klagen hörte man überall Pujas. Karmapa sollte wieder aus dem körperlosen Klaren-Licht-Zustand herbeigerufen werden. Durch Erweckung der erleuchteten Kraftkreise, die die Freude seines Geistes ausdrücken, sollte er sich schnell zum Besten der Wesen wieder gebären lassen. Tag und Nacht hielten Mönche die Pujas ab, oft verteilt mit einer Gruppe in jede Himmelsrichtung und einer in der Mitte.

    Am 9. November, einem sehr klaren Tag, sahen wir einen Hubschrauber auf dem Militärflugplatz auf der anderen Seite des großen Sikkim-Tals landen. Anschließend fuhr eine scheinbar endlose Reihe Autos davon, und ungefähr eine Stunde später kam Karmapas Sarg auf der Ladefläche eines Mercedes-Lastwagens an. Alle vier Linienhalter saßen zusammengedrängt neben dem Fahrer, der große Erik von Schwarzenberg und einige andere starke Männer waren hinten drauf. Sie hatten Karmapas Sarg auf die Ladefläche gehoben. Hannah und ich waren offenbar die

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