Über den Fluß und in die Wälder
Ich habe keinen Hunger. Haben Sie gegessen?»
«Ja. Die anderen sind weitergefahren, und ich hab ihnen meinen Wagen gegeben. Können Sie mich bis Latisana oder noch ein Stückchen weiter mitnehmen? Dort kann ich einen Wagen bekommen.»
«Natürlich.»
«Es war schandbar, daß es zufror. Die Aussichten waren so günstig.»
«Es müssen unzählige Enten draußen gewesen sein.»
«Ja. Aber jetzt, wo ihr Futter eingefroren ist, werden sie nicht hierbleiben. Heute abend werden sie sich auf den Weg machen.»
«Ziehen alle südwärts?»
«Alle, bis auf unsere einheimischen Enten, die hier brüten. Sie bleiben, solange auch nur ein bißchen offenes Wasser da ist.»
«Es tut mir leid, daß ich nicht mehr erlegt habe.»
«Es tut mir leid, daß Sie für so wenige Enten so weit gefahren sind.»
«Ich liebe die Jagd», sagte der Colonel. «Und ich liebe Venedig.»
Der Barone Alvarito sah zur Seite und spreizte seine Hände gegen das Feuer aus. «Ja», sagte er. «Wir alle lieben Venedig. Vielleicht Sie am allermeisten.»
Der Colonel machte hierüber keinerlei Redensarten, sondern sagte nur: «Ich liebe Venedig. Das wissen Sie.»
«Ja, ich weiß», sagte der Barone. Er blickte ins Leere. Dann sagte er: «Wir müssen Ihren Fahrer wecken.»
«Hat er was gegessen?»
«Gegessen und geschlafen und gegessen und geschlafen. Er hat auch ein bißchen in ein paar illustrierten Büchern, die er mithatte, gelesen.»
«Comic books», sagte der Colonel.
«Ich sollte lernen, so was zu lesen», sagte der Barone. Er lächelte sein schüchternes, schwermütiges Lächeln. «Könnten Sie mir welche in Triest besorgen?»
«Jedes Quantum», sagte der Colonel. «Vom Übermenschen aufwärts bis zum Unwahrscheinlichen. Lesen Sie welche für mich mit. Hören Sie mal, Alvarito, was war denn mit dem Jagdaufseher los, der mein Boot gestakt hat? Er schien mich von Anfang an zu hassen und eigentlich die ganze Zeit über.»
«Es war Ihr alter Feldrock. Alliierte Uniformen wirken so auf ihn. Wissen Sie, er ist ein bißchen zuviel befreit worden.»
«Erzählen Sie weiter.»
«Als die Marokkaner hier durchkamen, haben sie sowohl seine Frau wie s eine Tochter vergewaltigt.»
«Ich glaube, ich trinke lieber einen», sagte der Colonel.
«Dort auf dem Tisch, da ist Grappa.»
44
Sie hatten den Barone vor einer Besitzung abgesetzt mit großen Gittern, einer mit Kies bedeckten Auffahrt und einem Haus, das, da es von jedem militärischen Zielpunkt über sechs Meilen entfernt war, das Glück hatte, nicht zerbombt zu sein.
Der Colonel hatte sich verabschiedet, und Alvarito hatte ihn aufgefordert, irgendein oder auch jedes Wochenende zur Jagd herunterzukommen.
«Wollen Sie wirklich nicht mit hineinkommen?»
«Nein. Ich muß nach Triest zurück. Wollen Sie bitte Renata von mir grüßen?»
«Gewiß. Ist das ihr Porträt, das Sie eingepackt hinten im Wagen haben?»
«Ja.»
«Ich werde ihr sagen, daß Sie ausgezeichnet geschossen haben und daß das Porträt in gutem Zustand war.»
«Und meine Grüße.»
«Und Ihre Grüße.»
« Ciao, Alvarito und noch sehr vielen Dank.»
«Ciao, Colonel. Falls man zu einem Colonel ciao sagen kann.»
«Vergessen Sie, daß ich Colonel bin.»
«Das ist sehr schwierig. Auf Wiedersehen, Colonel.» «Im Fall irgendwelcher unvorhergesehener Ereignisse würden Sie sie bitten, das Porträt im Gritti abholen zu lassen?» «Jawohl, Colonel.» «Das ist wohl alles.» «Auf Wiedersehen, Colonel.»
45
Jetzt waren sie draußen auf der Landstraße, und die frühe Dunkelheit brach an.
«Biegen Sie links ein», sagte der Colonel.
«Das ist nicht die Straße nach Triest, Sir», sagte Jackson.
«Zum Teufel mit der Straße nach Triest! Ich befahl Ihnen nach links einzubiegen. Glauben Sie, es gibt nur eine Straße auf der Welt, die nach Triest führt?»
«Nein, Sir. Ich wollte den Colonel nur darauf aufmerksam machen…»
«Verflucht noch mal, machen Sie mich auf nichts aufmerksam, verstanden? Und bis ich Ihnen andere Anweisungen gebe, sprechen Sie nicht mit mir, bis ich Sie was frage.»
«Jawohl, Sir.»
«Tut mir leid, Jackson. Ich wollte sagen, ich weiß, wo ich hin will, und ich möchte nachdenken.»
«Jawohl, Sir.»
Sie waren auf der alten Straße, die er so gut kannte, und der Colonel dachte, also ich habe vier Enten, die ich versprochen hatte, an die geschickt, denen ich sie im Gritti versprochen habe. Ich habe aber nicht genügend geschossen, als daß da genug Federn gewesen wären, damit die Frau von dem Jungen
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