Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Über den Fluß und in die Wälder

Über den Fluß und in die Wälder

Titel: Über den Fluß und in die Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
Vom Netzwerk:
nicht dagegen gewehrt, du Scheißkerl.
    Es war jetzt kälter denn je, und das aufgebrochene Eis gefror von neuem, und die Lockente blickte jetzt nicht einmal mehr in die Höhe. In dem Bestreben nach Sicherheit hatte sie ihre Verräterei aufgegeben.
    Du Dirne, dachte der Colonel. Aber das ist ungerecht. Es ist dein Gewerbe. Aber woher kommt’s, daß eine Ente besser lockt als ein Erpel? Das solltest du wissen, dachte er. Und selbst das ist nicht wahr. Was, verflucht noch mal, ist denn wahr? Tatsächlich locken Erpel am besten.
    Denk jetzt nicht an sie. Denk nicht an Renata, das wird dir nicht gut tun, mein Junge. Es kann dir sogar schaden. Und du hast Abschied genommen. Was für ein Abschied das gewesen ist! Komplett mit Henkerskarren. Und wahrhaftig, sie wäre mit dir in den verdammten Henkerskarren geklettert. Solange es nur ein richtiger Henkerskarren war. Sehr rauhes Handwerk, dachte er, Lieben und Abschiednehmen. Man kann sich dabei richtig weh tun.
    Wer gab dir das Recht, ein solches Mädchen zu lieben?
    Niemand, antwortete er. Aber Andrea hat mich ihr vorgestellt.
    Aber wie konnte sie einen so armseligen Hundsfott wie dich lieben?
    Ich weiß es nicht, dachte er ehrlich. Ich weiß es wahrhaftig nicht.
    Er wußte nicht – unter anderem –, daß das Mädchen ihn liebte, weil er keinen einzigen Morgen seines Lebens traurig gewesen war; Angriff oder kein Angriff. Er hatte Angst und Sorge gekannt. Aber morgens war er nie traurig gewesen.
    Von der Sorte werden kaum welche gemacht, und das Mädchen wußte, obwohl sie so jung war, wenn sie einen sah.
    Jetzt ist sie zu Hause und schläft, dachte der Colonel. Dort sollte sie auch sein und nicht in einem gottverlassenen Entenschirm, wo die Lockenten einem einfrieren.
    Trotzdem wünschte ich, verflucht noch mal, sie wäre hier, wenn dies ein Schirm für zwei wäre, und sie sollte nach Westen Ausschau halten für den Fall, daß doch eine Kette einfallen würde. Es würde schön sein, wenn sie warm genug wäre. Vielleicht könnte ich irgendwem eine von jenen echten Daunenjacken abhandeln, die keiner je verkauft, der je eine gehabt hat. Die Sorte, die sie einmal irrtümlicherweise an die Luftwaffe ausgegeben haben.
    Ich könnte feststellen, wie sie gesteppt sind, und eine aus Entendaunen von hier unten machen lassen, dachte er. Ich werde einen guten Schneider ausfindig machen, der sie zuschneidet; man müßte sie doppelreihig machen, keine Tasche rechts, und einen waschledernen Flicken einsetzen, so daß der Gewehrkolben gut anliegen würde.
    Das werde ich tun, sagte er zu sich. Das werde ich tun, oder ich werde sehen, daß ich einem Kerl eine abknöpfe und sie dann für sie kleiner machen lasse. Ich würde ihr gern eine gute Purdey 12 besorgen, die nicht zu leicht ist, oder ein Paar Boss. Sie sollte ein Paar Jagdgewehre haben, die so gut sind wie sie selbst. Wahrscheinlich ein Paar Purdeys, dachte er.
    Gerade in dem Augenblick hörte er das leichte Schwirren schnell schlagender Schwingen in der Luft und blickte hinauf. Aber sie waren zu hoch. Er richtete nur die Augen in die Höhe. Aber sie waren so hoch, daß sie das Faß sehen konnten und ihn darin und die eingefrorenen Lockenten und das niedergeschlagene Weibchen, das sie auch sah und nach Kräften quakte, die loyale Verräterin. Die Enten, es waren Spießenten, setzten ihren Flug dem Meer zu fort.
    Ich schenk ihr nie etwas, wie sie sagte. Da war der kleine Mohr. Aber der gilt nicht. Sie hat ihn sich ausgesucht, und ich hab ihn gekauft. Das ist keine Art, jemandem ein Geschenk zu machen.
    Was ich ihr gern schenken würde, wäre Sicherheit, die es nicht mehr gibt; all meine Liebe, die wertlos ist; all meine irdischen Habseligkeiten, die aber praktisch kaum zählen, bis auf zwei Gewehre, meine Uniformen, die Medaillen und Orden mit den Urkunden und ein paar Bücher. Auch die Pension eines Colonel a. D.
    Ich vermache dir all meinen weltlichen Besitz, dachte er.
    Und sie hat mir ihre Liebe geschenkt, ein paar harte Steine, die ich zurückgegeben habe, und das Bild. Nun, ich kann ihr das Bild immer zurückgeben. Ich könnte ihr meinen Ring von V. M. I. schenken, dachte er, aber wo hab ich den verloren?
    Aus einem D. S. C. mit Klunkern daran würde sie sich nichts machen, ebensowenig aus zwei Silbersternen oder dem anderen Plunder, oder den Orden ihres eigenen Landes noch aus den französischen, noch aus den belgischen. Noch den Miniaturorden aus Emaille. Wäre ja morbide.
    Ich schenk ihr wohl am besten nur meine Liebe. Aber,

Weitere Kostenlose Bücher