Ueber den Horizont hinaus - Band 1
Christian schien ihn tatsächlich zu verstehen.
Er unternahm keinen Versuch, eine Grenze zu überschreiten, keine Anstrengung, sich Olaf zu nähern, eine Berührung, ein versehentlich erscheinendes Streifen der Hände zu erzwingen.
Christian blickte während der Fahrt aus dem Fenster und schwieg vornehmlich, döste möglicherweise vor sich hin und Olaf zwang den Verdacht fort, dass der Jüngere eine ähnliche Nacht hinter sich habe, wie er selbst.
Die Fahrt zog sich in die Länge und beide verhielten sich ungewohnt schweigsam, als wäre das, was ihnen gerade passierte, zu viel geworden, als dass sie damit zurecht kommen konnten.
Christian schulterte seinen Seesack, während Olaf das Auto in der Parkgarage abschloss. Danach ergriff der Ältere den Koffer und immer noch schweigend machten sie sich auf den Weg zur Wohnung, die ihnen von einer über das ganze Gesicht strahlenden Carola geöffnet wurde.
In ihrer Hand hielt sie einen Schlüsselbund mit einem roten Anhänger.
„Ratet was das ist?“, rief sie ihnen entgegen und zwinkerte.
Erschöpfte und ratlose Blicke begegneten ihr anstelle einer Antwort.
„Was ist es?“, fragte Olaf schließlich und stellte den Koffer ab, bevor er sie auf die Wange küsste.
„Dein neues Apartment“, wandte Carola sich an Christian und gleich darauf wieder an Olaf. „Dein Vater hat angerufen und mich beauftragt, die Sache klar zu machen.“
Olaf sah sie groß an. „Welche Sache… ich verstehe nicht.“
Carola grinste. „Nun, ich wusste doch von euren Plänen.“
Sie legte Christian einen Arm um den Hals, stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf die Stirn.
„Und ein junger Mann wünscht sich doch alles andere, als im Gästezimmer seines Bruders zu hausen. Sehe ich das richtig?“
Christian strahlte und nahm ihr den Schlüssel aus der Hand.
„Absolut richtig.“
Er warf Olaf einen kurzen Blick zu und dieser las in ihm wie in einem Buch: ‚Ich wäre gerne bei euch geblieben – nur kurz in deinem Heim – dir nahe.‘
Rasch wandte Olaf seine Augen ab. Nein, es war richtig so, das einzig Richtige. Gut, dass Carola so rasch und unkompliziert reagiert hatte. Vielleicht konnte er sich darauf verlassen, dass sie ihn vor sich selbst rettete.
Olaf zwang sich zu einem Lächeln.
„Dann wollen wir das gute Stück doch gleich mal besichtigen“, schlug er vor.
*
Christians Apartment befand sich tatsächlich nur zwei Querstraßen entfernt von ihnen. Nicht zu nah, und auch nicht zu weit weg. Es war winzig – im Vergleich zu ihrem Elternhaus, und doch bot es erheblich mehr, als Olaf in dieser Zeit seines Lebens zur Verfügung gestellt worden war.
Christian strahlte immer noch und als Olaf ging, umarmte er ihn zum ersten Mal an diesem Tag.
Ein wenig zu lang vielleicht, ein wenig zu fest, doch Olaf beschwerte sich nicht.
Erst als er seinen Penis reagieren spürte, löste er die Umarmung und wiederholte instinktiv Carolas Geste, küsste Christian auf die Stirn. „Morgen Frühstück“, flüsterte er, als ihm Hannibals Worte wieder einfielen.
„Es gibt da noch das eine oder andere, das wir organisieren und besprechen müssen.“
Christian nickte und der Schmerz in den Augen des Jüngeren, als dieser ihn losließ, wirkte nur allzu ähnlich dem, den Olaf selbst spürte.
*
Es dauerte doch bis zum folgenden Abend, als sie sich wiedersahen, als Olaf vor Christians Apartment stand und auf Einlass wartete.
Christian öffnete ihm, an Haut und Haaren weiße Farbe, ebenso wie an den alten Jeans und dem T-Shirt.
„Ich streiche“, sagte er und lächelte aufgrund von Olafs skeptischem Blick.
„Das wollte ich schon immer“, setzte Christian hinzu. „Alles hell, alles weiß. Keine dunklen Ecken oder Holzverkleidungen.“
Nun erwiderte Olaf sein Lächeln, als er verstand. „Wie weit bist du?“
Christian zuckte mit den Achseln. „Fast fertig – ich wollte dich überraschen.“
„Das hast du“, gab Olaf zu und trat ein.
Christian entfernte die Zeitungen von den Stühlen und bot seinem Bruder an, sich zu setzen. Olaf beobachtete belustigt, wie er sich eifrig aufmachte, Getränke anzubieten und sich wortreich für das Fehlen weiterer Lebensmittel entschuldigte.
„Das machen wir morgen“, schlug Olaf vor. „Heute ging nur alles drunter und drüber.“
Ein Schatten flog über sein Gesicht. „Ich habe Nachricht von Paps – um ehrlich zu sein mehrere Nachrichten.“
Ein Schatten flog über Christians eben noch freudig erregtes Gesicht.
„Was für
Weitere Kostenlose Bücher