Ueber den Horizont hinaus - Band 1
für ihn deine Haltung zu dem Thema von ausschlaggebender Bedeutung sein.“
Olaf runzelte die Stirn. „Was für eine moralische Grauzone meinst du? Wir handeln mit Fahrzeugen.“ Er schwieg, äußerte dann einen weiteren Gedanken.
„Ich verstehe nicht, wieso du Christian involvieren willst, wenn du ihm nicht vertraust.“
Hannibal senkte seine Stimme, kam einen Schritt näher.
„Er lässt sich manipulieren. Und das bedeutet, dass ich ihn besser kenne, als jeden fremden Juristen, der aus den unterschiedlichsten, selbstsüchtigen Beweggründen, einen Posten in unserer Firma erstrebt.“
Olaf biss sich auf die Lippe, schüttelte erneut den Kopf.
„Ich bin nicht sicher, ob Jura das Richtige für Christian ist.“
„Das interessiert mich nicht“, schnappte Hannibal zurück. „Ich weiß schon, du und deine Mutter, ihr würdet ihn auf eine Kunstakademie schicken oder in einen anderen der unnützen Elfenbeintürme, die für Menschen gebaut werden, die zu nichts anderem nütze sind. Aber ich sehe das nicht so. Falls in Christian auch nur der Hauch eines Potentials schlummert, dann werde ich es aus ihm heraus kitzeln.“
Olaf stellte sein Glas auf der Fensterbank ab, nahe der zugezogenen Vorhänge.
„Dann verstehe ich eigentlich nicht, was du von mir willst“, sagte er. „Was für ein Handel soll das sein, den du mir vorschlägst.“
Hannibal stellte ebenfalls sein Glas ab, heftig genug, dass es klirrte und einige Tropfen der Flüssigkeit auf den gläsernen Sofatisch spritzten.
„Der Handel besteht darin, dass ich ihn seine Zivildienstzeit absolvieren lasse, und das unter deinen Bedingungen.“
Olafs Herz schlug höher. „Das heißt?“
„Das heißt, dass ich in zu dir schicke. Du beendest deinen Job und gleichzeitig spielt Christian den Sanitäter. Du suchst ihm ein Apartment in deiner Nähe und hast ein Auge auf ihn. Ich will keine Ausrutscher, keine Affronts, keine kompromittierenden Bekanntschaften.
Du bekommst das alles noch schriftlich von mir. Aber was ich eigentlich erwarte, ist dass du ihn gleichzeitig zurecht stutzt und ihm das Gefühl vermittelst, seinen Willen durchgesetzt zu haben. Er soll glauben, die Freiheit zu schmecken, auf sich alleine gestellt sein und letztendlich froh werden bei der Aussicht, in den Schoß unserer Familie zurückkehren zu dürfen. So wie du froh bist.“
Hannibal kniff die Augen zusammen und musterte Olaf kritisch, der seinem Blick mit angehaltenem Atem standhielt. Er wusste, dass es jetzt darauf ankam, die Fassade aufrecht zu erhalten.
„Also, was sagst du?“, fragte Hannibal, als stelle er Olaf vor eine Wahl.
Dieser zögerte nicht. „Das hört sich für mich gut an“, antwortete er.
Hannibal streckte ihm seine Hand entgegen. „Dann ist das abgemacht.“
Olaf schlug ein und schüttelte diese.
„Wo soll er studieren?“, fragte Olaf noch.
Hannibal nickte, als habe er die Frage erwartet.
„Hier“, sagte er. „Wenn ich dich in der Firma zu meinem Stellvertreter ernenne. Ihr seid beide am Ort und ich habe die nächsten Jahre Zeit euch einzuarbeiten.“
Olaf atmete aus. „Was ist mit der Geschäftsstelle?“
Hannibal schüttelte den Kopf. „Wird geschlossen“, antwortete er direkt.
„Wieso das?“ Olaf fragte sich augenblicklich, warum er so hart für den Erhalt des Büros gearbeitet hatte.
Hannibal verzog die Lippen. „Dieser Bereich unseres Geschäfts verliert zunehmend an Bedeutung“, gab er zu.
„Den Großteil unserer Erfolge verbuchen wir auf einer gänzlich anderen Ebene.“
Er sah sich eine Sekunde suchend um, griff dann nach seinem Glas und stürzte den Inhalt mit einem Schluck hinunter.
„Ich vertraue dir etwas an, Olaf“, sagte er dann und richtete seinen stechenden Blick auf den Sohn.
„Die Automobilbranche ist ein komplexes Wesen. Sie verzweigt sich in so vielen Bereichen, hängt von einer unendlichen Vielzahl von Faktoren ab. Es geht nicht anders, will man sich in ihr behaupten, als dass man seine Finger auch mal in unbekanntes, vielleicht sogar schmutziges Terrain steckt.“
Olaf zog seine Augenbrauen zusammen, sagte jedoch nichts.
„Wir haben unseren Daumen auf dem Ölpreis, bereits seit Jahrzehnten“, sagte Hannibal und schenkte sich wieder ein. „Wenn wir nicht dafür sorgen, dass Treibstoff bezahlbar bleibt, dann verlieren wir unser Monopol als Branche. Es sind Abhängigkeiten, auf die wir zu bauen gezwungen sind. Und um diese zu erhalten, ist es notwendig, dass wir auch in der Politik einen gewissen Einfluss
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