Ueber den Horizont hinaus - Band 1
sein sollte, wie er ihn in seinen Gedanken behalten wollte.
*
In dieser Nacht liebte er Carola grober als gewöhnlich. Sie erhob keine Einwände, schien die Abwechslung von seiner gewöhnlichen Rücksichtnahme als angenehm zu empfinden und stöhnte zufrieden auf, als er sie umdrehte und von hinten nahm, eine seiner Hände in ihrem kurzen dunklen Haar vergrub und mit der anderen ihre Hüfte fest genug packte, dass Abdrücke zurückblieben.
Ein Laut ähnlich einem Schluchzen entkam seinen Lippen und nachdem er gekommen war, nahm Carola ihn in ihre Arme und strich ihm über sein Haar wie einem Kind. Keiner von ihnen sprach in dieser Nacht.
*
Die Zeit verging und Christian nahm seine Tätigkeit gewissenhaft auf. Olaf verließ sich auf ihn, machte sich nicht die Mühe, wie er es Hannibal versprochen hatte, das Auge auf seinem Bruder zu behalten.
Zu schmerzhaft und zu furchteinflößend erschien ihm auch nur die Vorstellung, er könne etwas entdecken, von dem er nichts wissen wollte.
Manchmal stand er nachts auf, manchmal, wenn die Sehnsucht ihn zu sehr quälte, schlich er sich fort.
In sein Büro, erzählte er später Carola, Liegengebliebenes aufarbeiten, und sie tadelte ihn dafür, dass er sich übernahm.
Vor sich selbst wollte er nicht zugeben, dass dies meistens an den Tagen der Fall war, an denen er Christian sah, an denen sie sich über den Weg liefen.
Und das taten sie, häufig. Natürlich lag es auch daran, dass sie so nah beieinander wohnten, und doch kam es Olaf so vor, als fiele es auch Christian schwer, einen Tag verstreichen zu lassen, an dem er nicht bei ihm vorbei sah.
Ob er ihn nur anrief, in seine Wohnung kam oder ins Büro – es machte keinen Unterschied.
Christian hing an ihm, wie er eh und je an ihm gehangen hatte. Und Olaf stellte fest, dass es ihm nichts ausmachte. Dass er es sogar vermisste, wenn die gewohnte Kontaktaufnahme ausblieb.
Manchmal erhaschte er einen seltsamen Blick von Carola, wenn sie nach Hause kam und sie beide in der Küche vorfand, auf dem Sofa mit einem Bier in der Hand, oder auf dem Balkon.
Sie ließ dann wohl hin und wieder eine Bemerkung fallen, dass Olaf als großer Bruder Christian doch ein Vorbild sein solle und auf das Bier verzichten, oder sie fragte, ob Christian denn im Sanitätsdienst bereits Freunde gefunden hatte, ob er Lieblingsorte in der Stadt entdeckte.
Christian antwortete stets höflich und mit einem Augenzwinkern, doch es war sowohl Carola anzumerken, dass sie sich zunehmend unwohl fühlte, als auch Christian.
Meist brach er rasch auf, nachdem sie eingetroffen war, berührte Olaf vielleicht nur noch einmal beiläufig am Arm oder sah ihn mit diesem Blick an, der den Älteren innerlich erschauern ließ.
Dann wusste Olaf, dass er diese Nacht wieder „arbeiten“ würde, dass Carola sagen oder tun konnte, was sie wollte, es brachte den Schmerz, das Drängen, das Brennen in ihm nicht zum erlöschen.
*
„Ihr seid euch sehr nahe“, sagte sie einmal und sah ihn gespannt an, als erwarte sie ein Geständnis, Aufklärung, eine Deutung der Tatsache, dass er nicht in der Lage war, sich von Christian zu lösen.
„Wir waren die meiste Zeit unseres Lebens getrennt“, bemühte Olaf sich. „Das holen wir jetzt nach, lernen und besser kennen. Zumal wir in ferner Zukunft doch zusammenarbeiten wollen.“
Carola hob die Augenbrauen. „Ich denke nicht, dass Christian wirklich in der Firma arbeiten wird.“
Olaf senkte den Kopf. „Es ist so abgemacht“, murmelte er und wusste doch nur zu gut, dass auch ihm dieses Bild fremd vorkam. Sich vorzustellen, dass Christian zurückkehrte in das Leben, das ihm, das ihnen beiden bestimmt war, passte nicht, passte nicht mit dem zusammen, was er in ihm sah.
*
Olaf entspannte sich zunehmend in Christians Gegenwart, ließ es zu, dass Normalität, sofern es einen Zustand wie diesen für ihn geben konnte, sich entfaltete.
Manchmal sahen sie fern, manchmal saßen sie nur auf der Couch und hörten Musik. Dann war es wie ein Blick in eine Vergangenheit, auch wenn diese so nie existiert hatte.
Und manchmal lehnte Christian sich wieder an Olafs Schulter, wenn er begann, von seinem Tag zu erzählen. Dann wieder saßen sie nur still nebeneinander und ihre Knie berührten sich.
Und dann gab es diese Momente, wenn sie sich beide erschöpft fühlten, ausgelaugt, und wenn Christian seine Arme um ihn legte, während er sich mit seinem immer noch jungenhaften Körper an Olaf schmiegte.
Dann erwiderte Olaf die Geste und schlang
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