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Ueber den Horizont hinaus - Band 1

Ueber den Horizont hinaus - Band 1

Titel: Ueber den Horizont hinaus - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Lenz
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schlitterte, und Olaf wusste nicht, ob es an der Aufregung, seinem unsicheren Griff des Steuerrades lag, oder unwegsamem Untergrund lag.
    Er wusste nur, dass sie fort mussten und dass er zu schnell fuhr, um die Kurven jagte, wie ein Verrückter. Eine nur noch, nur noch eine weitere, nur noch vorbei an einem Wäldchen, um eine Anhöhe herum.
    Gerade noch gelang es ihm, einem entgegenkommenden Fahrzeug auszuweichen und der Schreck veranlasste Olaf doch dazu, mit Macht auf die Bremse zu treten.
    Der Wagen machte einen Satz und hielt, rutschte an den Wegrand, wo Olaf ihn stehen ließ, den Motor laufend, seine Hände immer noch um das Steuerrad gekrallt.
    Er atmete heftig, starrte auf die Anzeigen der Armaturen, ohne etwas zu sehen, lauschte auf das Pochen seines Herzens.
    Jetzt war es amtlich. Er hatte wirklich Mist gebaut, war zu weit gegangen, viel zu weit.
    Flammende Röte schoss ihm ins Gesicht.
    Doch da legten sich plötzlich kühle Finger auf seine angespannten.
    „Olaf“, sagte Christian leise. „Es ist in Ordnung. Jetzt ist alles in Ordnung.“
    Olaf atmete aus. „Nichts ist in Ordnung“, brachte er schließlich hervor. „Was meinst du bloß damit?“
    Er schüttelte den Kopf. „Jetzt ist alles zu Ende.“
    Christian streichelte die Hand, deren Knöchel immer noch hervortraten, so fest hielt er sich, als könnte er sich an den letzten Funken von Realität in Form des Steuerrades klammern.
    „Nichts ist zu Ende“, sagte er leise und löste die Finger des Größeren langsam aus ihrem Griff.
    „Ich liebe dich. Und Hannibal ist der Letzte, der sich getrauen sollte, etwas einzuwenden. Weder er noch unsere Mutter können es wagen.“
    Olaf rang nach Luft. Sein Herz fühlte sich an, als würde es zusammengepresst, als legte sich eine eiserne Klammer darum und drückte machtvoll zu.
    Was sollte das heißen? Olaf verstand nicht.
    Christian ergriff die rechte Hand Olafs. Es gelang ihm, diese vom Steuerrad zu lösen und er hob sie an seine Lippen, dann an seine Brust, hielt sie dort mit seiner anderen Hand fest.
    „Es ist gut, dass er es weiß. Vielleicht… vielleicht wollte ich das sogar. Wollte ihm zeigen, dass er mich nicht zerstört hat, dass er uns nicht zerstören konnte, mit dem, was er uns angetan hat.“
    Olaf schüttelte leicht den Kopf. „Ich verstehe dich nicht“, flüsterte er. „Was meinst du damit?“
    Christian sah ihn an, blinzelte zweimal. Seine Augen wurden weit.
    „Das weißt du nicht? Das musst du doch wissen!“
    Die Klammer um Olafs Herz zog sich zu. Stumm erwiderte er Christians Blick.
    „Oh Gott“, hauchte Christian in offensichtlicher Verblüffung. „Du weißt es nicht? Du erinnerst dich wirklich nicht?“
    Olafs Lippen fühlten sich an wie Sandpapier, sein Mund war ausgetrocknet, seine Kehle nicht in der Lage, einen Ton hervorzubringen.
    Christians Mund öffnete und schloss sich und doch zögerte er.
    Da entzog Olaf seine Hand dem anderen, bedeckte sein Gesicht plötzlich mit beiden Händen, beugte sich vorwärts.
    „Warum?“, keuchte er. „Warum nur sind wir so? Warum fühlen wir, was wir fühlen… können dem nicht entkommen… warum?“
    Seine Augen brannten, doch die Tränen kamen nicht. Seine Stimme brach mit einem trockenen Schluchzen.
    Warum er fragte, wusste er nicht. Warum er diese Worte hervorstieß, warum er die Sünde aussprach, entzog sich seiner Kenntnis.
    Und doch ahnte er, dass Christian mehr wusste, dass er den Schlüssel zu dem Geheimnis besaß, das ihn quälte.
    Olaf lehnte sich zurück, ließ seine Hände in den Schoß sinken, sog den Atem ein, bevor er sich zu Christian drehte, diesem ins Gesicht sah.
    Christian leckte sich nervös über die Oberlippe, rieb sich dann die Schläfe und wich Olafs Blick aus.
    „Ich weiß es auch nicht“, sagte er schließlich und blinzelte unsicher. „Doch ich denke, dass es damit zu tun hat, was er uns angetan hat. Ich… ich denke, dass etwas in mir kaputt ging, wenn er mich missbrauchte und… dass meine Rettung darin bestand, mich an das Bild von dir zu klammern… an dich.“
    Das Blut wich aus Olafs Gesicht. „Was meinst du damit?“, flüsterte er. „Ich weiß, dass er dich auch geschlagen hat… das…“
    „Er hat noch viel mehr getan“, bemerkte Christian und sah ihn schließlich doch mit gerunzelter Stirn an.
    „Er… hat sich an uns vergangen… an seinen eigenen Söhnen.“
    „Das… das ist nicht wahr“, stammelte Olaf. „Das kann er nicht… das kann er dir nicht angetan haben…“
    Olaf holte

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