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Ueber den Horizont hinaus - Band 1

Ueber den Horizont hinaus - Band 1

Titel: Ueber den Horizont hinaus - Band 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sigrid Lenz
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seine Stirn.
    Jeder begriff, was ihn ausmachte, wenn er achtgab. Matthias machte sich nichts vor. Dieser genaue Blick war oft der Grund dafür, dass er seine eben noch so guten und engen Freunde nicht wiedersah. Spätestens wenn die eine andere Richtung eingeschlagen hatten, von anderen Menschen umgeben waren, dann sahen sie hinter die Fassade, die Matthias so mühsam errichtet hatte.
    Sie erkannten, dass er nicht ehrlich war, dass es ihm nicht um sie ging, nicht einmal um ihre Freundschaft. Sie sahen, dass er mit ihnen ebenso verfuhr, wie sie es letztlich mit ihm umgingen. Für unnötige Rücksichten gewährte der Job keine Zeit.
    Matthias hielt in der Bewegung inne.
    Nur Arthur reagierte anders. Und Matthias war sich sicher, manchmal war Matthias sich sicher, dass Arthur schon sehr früh einen Blick hinter seine Fassade geworfen hatte.
    Eng genug war ihre Beziehung gewesen, enger als jede andere, die er mit einem Kollegen geteilt hatte.
    Arthur müsste sich schon als blind und taub erwiesen haben, wenn er nicht einen Hauch von Matthias Absichten erahnt hätte.
    Und so dumm war der andere nicht, dass nicht auch er seine Hausaufgaben gemacht hatte. Arthur kannte Matthias‘ Filme, hatte sie nicht allzu lange Zeit, nachdem sie Bekanntschaft geschlossen hatten, gesehen.
    Manchmal hatte er ihm davon erzählt. Und charmant wie Arthur war, auch nicht mit Komplimenten gegeizt, die Matthias angenehm den Rücken hinunter rieselten.
    Nicht, dass er selbst den Gefallen erwidert hatte.
    Für Matthias begann Arthurs Existenz mit seinem Eintritt in die Serie oder in Matthias‘ Leben, was letztlich dasselbe bedeutete. Und anders wollte Matthias es auch nicht sehen. Es ergab keinen Sinn, Zeit und Mühe in etwas zu investieren, was keine Zukunft beinhaltete.
    Keine seiner Freundschaften, seiner Beziehungen besaß eine Zukunft. Damit hatte er sich schon vor langer Zeit abgefunden.
    Für sich selbst erkannte er, was oder wer er wirklich war. Er war der selbstsüchtige Einzelgänger, das Individuum, das mit dem Kopf in den Wolken achtlos auf denen herumtrampelte, die niedertrat, die er von dort oben nicht sah. Auch wenn er wusste, dass sie existierten. Aber das blieb schwaches, unklares Wissen, es trug kein Gesicht.
    Bis jetzt nicht.
    Er hatte sich damit abgefunden, dass er so war, dass er gezwungen war, so zu sein, in seinem Beruf. Oder für seine Kunst, wenn man das, was er tat, Kunst nennen wollte.
    Schauspielerei blieb ein einsames und hartes Geschäft. Jeder musste jederzeit in der Lage sein, einen anderen auszubooten. Denn das Einzige, was wirklich zählte, nannte sich Erfolg. Und der Erfolg war eine kurzlebige Angelegenheit. Er wollte ständig umworben werden. Für ihn musste man sich erniedrigen, sich erdreisten, Grenzen zu überschreiten, die unter normalen Umständen tabu wären.
    Er war nun einmal dazu bereit. Hatte sich diesem Leben verschrieben, während Arthur nur einen Stein in seinem Weg darstellte, nur einen Kollegen, der nicht verkraftete, wo es nichts zu verkraften gab.
    Matthias seufzte. Eigentlich hatte er, hatte jeder erwartet, dass Arthur die Angebote auf Silbertabletts serviert bekam. Dass er nur zu wählen brauchte. Dass der Erfolg in einer Rolle wie der beendeten, ihn zu einer größeren Bandbreite an Angeboten führte.
    Aber davon war nichts zu spüren. Von keinerlei positiven Entwicklungen war etwas zu spüren.
    Widersinnig. Ständig kamen neue Produktionen ins Gerede. Ständig wurden Namen gehandelt. Doch Arthurs war nicht dabei, war nie dabei.
    Als Matthias das auffiel, begann er zum ersten Mal, sich Sorgen zu machen.
    Er wehrte sich dagegen. Arthur war immerhin weitaus älter als er selbst, erfahren und verbuchte ausreichend Erfolge auf seinem Konto, um sich ohne Schuldgefühle eine Auszeit gönnen zu dürfen.
    Nur dass es sich um keine Auszeit handelte.
    Und dass Matthias dies bereits spürte, als sie ihren letzten Abend zusammen verbrachten.
    Die Geschwindigkeit, mit der Arthur seine Gläser leerte, die geradezu konzentrierte Methodik, die er aufbrachte, als er sich mit offenkundiger Absicht betrank, sagte bereits viel. Mehr aber noch sagten sein leerer Blick, die graue, verlebte Farbe seiner Haut, die hängenden Schultern.
    Wenn er nicht vor der Kamera oder auf der Bühne stand, schenkte Arthur seiner Kleidung niemals Beachtung, aber die Art, wie er nun begann herumzulaufen, übertraf alles bisher dagewesene. Und wenn Matthias sich nicht täuschte, so trug Arthur zur Krönung des miserabel sitzenden

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