Ueber den Horizont hinaus - Band 1
Schlabber-Outfits zwei verschiedenfarbige Socken.
Ein Unding für jemanden wie Matthias, der stets darauf achtete, gepflegt und möglichst elegant aufzutreten.
Aber auch da hatte er noch geglaubt, glauben wollen, dass es die Auszeit war, die Arthur sich genehmigte, dass er einfach Ferien machte vom Druck. Und ein bisschen Alkohol, ein wenig durchfeiern hatte ihm noch nie geschadet.
So dachte er. Und dann dachte Matthias gar nicht mehr über Arthur nach. Er hatte schließlich genug zu tun. Seine Arbeit ging weiter. Erwartungen lasteten auf ihm und er spürte sie stärker mit jedem neuen Einbruch, den die Einschaltquoten erlitten.
Natürlich lag es nicht nur an ihm, nicht an seiner Darbietung. Auch nicht am Wegfall Arthurs, wenigstens versuchten die Produzenten sich und allen, die zuhören wollten, dies einzureden.
Aber die Tatsache blieb, dass es mit der Serie bergab ging.
Nur, wenn Matthias glaubte, diese Tatsache könne Arthur erlauben, wenigstens eine kleine positive Seite des Ganzen abzugewinnen, dass er den auffallenden Niedergang als indirektes Kompliment empfände, so irrte er sich erneut.
Es lag nicht in Arthurs Art, sich daran zu erfreuen, wenn ein Zusammenbruch bevorstand. Offenbar erkannte er nicht einmal seinen eigenen Vorteil darin, dass sein Wegfallen eine derartige Lücke riss.
Auch hatte er Matthias niemals einen Vorwurf gemacht.
Dessen Augen flogen auf. Dass er das zuvor nicht erkannte hatte? Er schüttelte den Kopf, sein Haar fiel ungebärdig in die Stirn.
Er wollte nicht daran denken, wollte nie daran denken, dass ihm jemand seine Taten vorhielt. Das war der Grund, weshalb er bereits abblockte, bevor es geschehen konnte. Warum er verschwand, ohne sich die Meinung des anderen anzuhören. Und wenn er Glück hatte, vergaß derjenige, was er ihm hatte sagen wollen.
Nur Arthur nicht. Er hatte ihm keine Vorwürfe gemacht, nicht einmal im Ansatz. Und wenn Matthias darüber nachdachte, dann wurde ihm klar, dass Arthur jede Gelegenheit dazu gehabt hätte.
Lange genug hatte es gedauert, dass sie sich auseinanderlebten. Oft genug drückte Matthias sich mit fadenscheinigen Ausreden in letzter Minute vor einer Verabredung. Oft genug hätte der andere ihn am Set zur Rede stellen können, ihn fragen, warum er seine Anrufe nicht erwiderte, warum ihre Treffen weniger und weniger wurden, bis sie schließlich ganz ausblieben.
Warum Matthias, der keinen Fotografen ausgelassen hatte, um seine enge Freundschaft mit Arthur zu demonstrieren, ihn auf einmal mied wie die Pest.
Aber Arthur hatte nichts dergleichen getan. Auch das war nicht seine Art.
Er hatte sich anderen Dingen zugewandt. Wenigstens hatte es von weitem so ausgesehen – zu dieser Zeit.
In der Branche herrschte nie Stille. Irgendjemand wisperte stets eine Neuigkeit und es lag an einem selbst, ob man sie als wertvoll erachtete.
Zuerst hatte Matthias sich gefreut. Es machte Sinn für Arthur, dass er sich hinsetzte, um zu schreiben. Matthias kannte einige seiner Gedichte. Es hörte sich an wie eine nette Nebenbeschäftigung und bestimmt war es nicht die schlechteste Möglichkeit der Welt, seine Zeit damit zuzubringen, ein Buch herauszubringen, Lesungen zu veranstalten. Was immer Arthur glücklich machte.
Nur, dass Matthias von diesen Plänen bald nichts mehr hörte. Nur, dass er sich eigentlich nicht einmal darüber wunderte. Sicher, Matthias verstand nichts von Gedichten, aber was er von Arthur mitbekam, erschien ihm doch mehr als langweilig.
Natürlich verstand er eigentlich auch nichts von Musik. Und natürlich war ihm klar, dass seine eigene Produktionsfirma auch nur den Bruchteil einer Chance erhielt, weil sein Name Bekanntheitsgrad genoss und er diesen auf jede nur erdenkliche Art ausnutzte.
Wenn Arthur es mit seinen Gedichten ebenso anstellte, dann wäre ihm immerhin ein Achtungserfolg in kleinsten Kreisen seiner Anhänger sicher.
Aber es sah nicht so aus, als gebe Arthur sich diesbezüglich auch nur den Hauch von Mühe.
Es sah eher aus, als täte er buchstäblich gar nichts. Arthur wurde so gut wie unsichtbar. Und nun war es auch nicht mehr möglich, sich einzureden, dass er fleißig an einem Projekt arbeite, dass er bald wie Phoenix aus der Asche zu neuer Hochform auftauche.
Nichts dergleichen. Nein. Stattdessen war er festgenommen worden wegen Fahrens unter Alkoholeinfluss.
Weshalb Matthias nun auf dem Sofa saß und sich den Kopf darüber zerbrach, wie es soweit hatte kommen können.
Es war definitiv armselig.
Auch war armselig,
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