Ueber den Horizont hinaus - Band 1
Christian. Dieser seufzte ebenfalls auf, als hätte er nur darauf gewartet, zog seine Knie an und legte die Füße hoch, womit sich sein Gewicht auf Olaf noch verstärkte.
Doch dieser wurde abgelenkt, als Christian seinerseits einen Arm um Olafs Rücken legte und seinen anderen auf der Brust des Bruders ruhen ließ.
Olaf versteifte sich innerlich. Gerade nach dem, was er in der letzten Nacht beobachtet hatte, kamen ihm diese Anzeichen brüderlicher Anhänglichkeit ein wenig unpassend, beinahe anzüglich vor.
Christian hielt sich mit derartigen Zweifeln nicht auf. Im Gegenteil, er kuschelte sich nur näher an Olaf und seufzte ein weiteres Mal zufrieden, als könnte er sich keinen schöneren Ort, keine befriedigende Situation vorstellen, als mit seinem großen Bruder auf der Couch zu liegen, aneinander gepresst wie ein Liebespaar.
Olaf räusperte sich unbehaglich. „Denkst du nicht, dass du dafür schon ein wenig zu alt bist?“, fragte er.
„Nein“, knurrte Christian lediglich und machte keine Anstalten, seinen Griff zu lockern.
Und Olaf stimmte in den Seufzer des Jüngeren mit ein, schob jeden Gedanken daran, dass sie sich unter Umständen zu wenig brüderlich verhielten, beiseite und konzentrierte sich auf den Film.
„Weißt du“, sagte Christian, als der Abspann lief. „Es war nichts mit Matthias. Wir haben nur experimentiert.“
‚Genau‘, dachte Olaf trocken und fühlte Christians Hand, die mittlerweile auf seinem Knie lag so deutlich, als strahlte sie Hitze aus.
Laut sagte er: „Das Thema ist beendet. Je weniger wir darüber reden, desto besser.“
„Ich wollte nur“, sagte Christian leise, besann sich jedoch eines Besseren und verstummte, bis die DVD mit einem Klicken ausgelaufen war.
Erst dann richtete er sich widerstrebend auf und drehte sich dann zu Olaf um, der ihn aufmerksam und fast ein wenig besorgt ansah.
Besorgt weniger wegen seinem Bruder, sondern aufgrund der verwirrenden Gefühle, die der Anblick in ihm auslöste.
Christians Haar wirkte verstrubbelt, sein Blick verschleiert, als wäre er gerade aufgewacht.
Seine Lippen waren leicht geöffnet und Christians Zunge fuhr mit einem Mal hervor, um sie zu befeuchten.
Und Olaf konnte das Zucken seines Gliedes nicht verleugnen, als Christian sich auf das Knie des Älteren stützte, bevor er sich erhob.
Und ohne es zu wollen, folgte sein Blick der schlaksigen Gestalt, die sich erneut am DVD-Spieler zu schaffen machte, wanderte hinunter zu dem flachen Po, der sich unter der weiten Hose nur ansatzweise abzeichnete.
Olaf schluckte und schloss die Augen. Doch das war ein Fehler, denn nun konnte er es nicht verhindern, dass ihn die Bilder der vergangenen Nacht einholten.
„Was ist es nur, das da in mir vorgeht“, dachte er mit Schrecken. „Das ist krank, pervers, schlimmer als alles, was ich jemals in der Vergangenheit getan habe und immer noch versuche zu verdrängen.“
Und wie so oft schob er die Gefühle, die ihn überkamen, in die hinterste Ecke seines Verstandes zurück, verbot sie sich mit all der Kraft, die ihm zur Verfügung stand.
*
Es wurde nicht leichter. Die Tage vergingen und Christian war offensichtlich entschlossen, diese mit Olaf und vorwiegend im Haus zu verbringen.
Er lud niemanden ein, besuchte niemanden, gebrauchte wiederholt die Ausrede, dass all seine Freunde weggefahren seien oder dass es ihm erheblich mehr Freude bereitete mit seinem so selten anwesenden Bruder Zeit zu verbringen.
So kurz diese auch sein sollte, war Olaf doch immer noch in den Ansprüchen gefangen, die seine Aufgaben für ihn bereithielten. Sein Ehrgeiz tat das Übrige und so konnte er nicht umhin, gewissenhaft die Zeit zu nutzen, die ihm zur Verfügung stand.
Allerdings nicht so gewissenhaft, wie er selbst es von sich erwartete.
Er ertappte sich dabei, seine Arbeitszeiten mehr und mehr zu verkürzen, den Augenblicken entgegenzufiebern, die er reinen Gewissens mit Christian teilen konnte und diese auszudehnen, soweit es ihm möglich war.
Weder er noch Christian zeigten größere Lust auszugehen oder überhaupt das Haus zu verlassen, ein Umstand, dem auch noch entgegen kam, dass sich das schöne Wetter verzogen und einer Folge von Regentagen Platz gemacht hatte.
Und so bildeten sich die Abende vor dem Bildschirm rasch als etablierte Gewohnheit heraus. Ebenso wie es die Art und Weise tat, wie sie diese gestalteten.
Und bald freute Olaf sich mehr als auf alles Andere auf die Momente, in denen sie eng aneinander gekuschelt auf dem Sofa
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