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Über den Missouri

Über den Missouri

Titel: Über den Missouri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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erschrak.
    Was würde Tokei-ihto nun tun? Gerettet befanden sich Tschaske, Schwarzfels und Hapedah und das Bärenjunge am Ufer, aber die anderen, die waren noch drüben, die saßen noch mit trockenen Booten drüben, zwischen Red Fox und dem schrecklichen Wasser, die Mutter, der Vater und Blitzwolke und Uinonah …
    »Ich gehe stromaufwärts«, hörte der Knabe den Häuptling zu dem frierenden und zitternden Schwarzfels sagen, »wir sind weit abgetrieben. Sobald der Donnervogel aufhört zu schreien und der Regen, der kommen wird, vorbei ist, schwimme ich zurück. Du bleibst hier bei den Knaben. Wandert zu den Waldbergen, die ihr im Norden seht. Vor diesen Waldbergen endet das Land, über das der große Vater von Washington gebietet, und ihr gelangt in das Land der großen Mutter (= Kanada. Als Mutter wurde die alte englische Königin bezeichnet.), die unsere wenigen Zelte in Frieden lassen wird, wenn wir uns selbst versorgen. Damit wir das vermögen, sollt ihr den Mann mit Namen Adams bei den Waldbergen suchen. Hier« – Tokei-ihto reichte einen Beutel –, »gebt ihm dieses Gold, und er wird euch Land kaufen, auf dem ihr frei leben könnt.«
    Der junge Häuptling brach ab. Er stand auf, wandte sich und ging. Tschaske schaute ihm mit heißen Augen nach.
    Ein Blitz spaltete den Himmel und fuhr krachend in die Erde, fahl tauchte das grausige gelbe Wasser aus der Dunkelheit auf. Der Donnervogel schrie und schlug mit den Schwingen. Weit oben am Ufer war Tokei-ihto zu sehen, der unbeirrt von Blitz und Donner dahinschritt.
    Tschaske hatte Hapedah zu sich herangezogen. Er selbst lehnte sich an Schwarzfels und spürte das nasse Fell des jungen Bären, der sich wieder an ihn herandrängte. Der Sturm pfiff und raschelte im Gesträuch. Nun hieß es wieder warten, warten.
    Zu der Zeit, als Tschaske nördlich des Mini-Sose erschöpft am Arm von Schwarzfels einschlief und Tokei-ihto den Rückweg antrat, hatte Tschapa Kraushaar am Südufer des großen Wassers ein widerwärtiges Erlebnis.
    Der Krieger befand sich nicht auf der Anhöhe, auf der sich die meisten Männer zur Abwehr feindlicher Angriffe eingenistet hatten. Er lag in einer gegen den Mondschein abgeschatteten Mulde des Uferhangs auf Vorposten. Mit schweren Sorgen beobachtete er das heraufziehende Gewitter am Himmel und die sich wälzende Schlammflut im Tal. Mit dem Dröhnen des Stromes mischte sich das Prasseln des Regens. Tschapa sah nichts mehr, aber er hörte durch das Sausen von Regen und Wind krachende Salven. Oben bei der Anhöhe wurde gekämpft.
    Red Fox benutzte das unsichtige Wetter, um sich mit seinen Leuten anzuschleichen.
    Auch in der Nähe des Bibers knallte es jetzt, und eine Kugel streifte ihm den Haarschopf. Nein, mein Füchslein, so weit sind wir noch nicht; der Skalp des Bibers ist gut angewachsen. Der Kraushaarige griff zu Pfeil und Bogen und versandte die lockeren, widerzackigen Knochenspitzen. Er verließ sein Versteck und sprang im deckenden Regenguß umher; die anderen sollten glauben, daß das Gelände dicht besetzt sei. Aus fünfzig oder hundert Meter Entfernung wurde zurückgeschossen, aber der Biber blieb unverletzt. Als der Regen nachließ, war er mit seinen Pfeilen fast zu Ende. Aber auch die Feinde schienen genug zu haben. Der Schlaue kehrte mit großer Vorsicht in die Ufermulde zurück. Er fand sie leer und nistete sich wieder darin ein.
    Sobald der Regen aufhörte und der runde Mond wieder über die Prärie leuchtete, hielt der Biber gespannt Umschau.
    Was … aber nein, das war wohl nicht möglich!
    Der Biber griff sich an den Kopf, um sich zu überzeugen, ob er wache oder träume.
    Einige Pferdelängen entfernt saß ein Bursche im Gras. Der Bursche sah dem seiner Generalsuniform beraubten Tatokano auf eine lächerliche Art ähnlich. Mit gekreuzten Beinen saß der Jüngling da; die Regentropfen kullerten von seinem geckenhaft gepflegten und gescheitelten Haar und seiner eingefetteten Haut herab. Blöde schaute er in die vom Mond beschienene Landschaft.
    Hatte denn der Kerl Waffen bei sich? Flinte oder Bogen jedenfalls nicht, aber Messer und Beil schienen im Gürtel zu stecken.
    Sonst war weit und breit auf der offenen, regennassen Wiese und auch an dem steil abfallenden Ufer nichts Verdächtiges zu bemerken. Die jungen Krieger, die weiter ab lagen, ließen nichts von sich hören. Ob sie auch den Gecken erblickten?
    Der Biber beschloß, der Sache auf den Grund zu gehen.
    Leise schob er sich vor, um der Gestalt in den Rücken zu kommen. Er

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