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Über den Missouri

Über den Missouri

Titel: Über den Missouri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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verschwanden auch schon schnell in den elterlichen Behausungen. Kein Erwachsener zeigte sich. Aber sicher gab es Augen, die den fremden Reiter heimlich durch die Zeltschlitze musterten.
    Der Dakota war selbst lange gefangen gewesen, und es war ihm jetzt, als ob er zu dem Gefängnis eines anderen gehe. Es war ihm beklommen zumute, so kurz vor dem Ziel, denn er wußte nicht, ob er Tashunka-witko antreffen würde und ob er ihn allein sprechen könne. Es blieben ihm nur wenige Stunden, um sein Vorhaben zu verwirklichen, dann mußte er zurückkehren zur Agentur.
    Der Schneefall war dünner geworden. Die Flocken sanken langsamer. Ein Sonnenleuchten drang zwischen den Wolkenschleiern des Himmels durch, und die Schneepolster glimmerten wie tausend matt erleuchtete Kristalle.
    Der junge Häuptling kannte das Zelt Tashunka-witkos von früher her. Er pflockte seinen Braunen davor an und trat ohne weiteres Zögern ein. Der Raum wirkte kahl. Der Boden war festgestampft.
    Eine alte Indianerin saß da und machte Yucca-Wurzeln in einer Schüssel zurecht. Sie hielt jetzt in der Arbeit inne. Außer ihr war niemand im Zelt.
    »Wo ist Tashunka-witko?« fragte der Eintretende scharf, als ob er Polizeigewalt habe, denn er wußte schon, daß er sonst nicht so leicht ein Wort erhalten würde. »Ich komme vom Fort.« Sein beschlagenes Pferd und sein Revolver konnten ihn in dieser Beziehung in den Augen der Frau ausweisen.
    Tokei-ihto kannte diese Frau flüchtig. Sie war die Mutter Tashunka-witkos, und er hatte sie vor fünf Jahren bei einem großen Fest in Tashunka-witkos Zelt gesehen. Sie hatte sich durch Hunger und Kummer verändert, aber nicht in dem Maße wie der ausgezehrte Tokei-ihto, und es schien dem jungen Häuptling, daß sie ihn nicht erkannte.
    Die Frau erhob sich schwerfällig und wischte sich die Hände ab.
    »Ich hole den Häuptling«, sagte sie. »Er ist nicht weit gegangen«, fügte sie hinzu, als ob sie vor dem Beauftragten der Agentur rechtfertigen müsse, daß der Verhaßte und Verdächtige nicht in seinem Zelt anzutreffen war. Sie lief an dem ihr unbekannten Gast vorbei, um das Zelt zu verlassen, und er sah ihr nach.
    Als die Frau aus dem Tipi hinaus und zu den anderen Zelten hinübergegangen war, holte Tokei-ihto die beiden Ledersäcke mit den Konserven und dem Fleisch herein und stellte sie im Zelt ab. Er schloß einen Augenblick die Augen, denn er war erschöpft, und es schwindelte ihm. Der Schweiß brach ihm am ganzen Körper aus.
    Aber seine Ohren blieben wach, und bald vernahm er den Schritt, der dem Zelt näher kam. Der Schnee knirschte leise unter Mokassins.
    Tokei-ihto stand in der Mitte bei der Feuerstelle und wartete, das Gesicht zum Zelteingang gewandt.
    Tashunka-witko erschien.
    Auch er war sehr abgemagert. Was er erlebt und auf sich genommen hatte, stand in seinem Antlitz zu lesen. Die Falten waren noch tiefer gezogen, die Schläfen und die Wangen waren hohl. Der Häuptling hatte die Lider gesenkt, und er sah Tokei-ihto nicht ins Gesicht. Aber sicher sah er den Revolver im Gürtel.
    Der Oberhäuptling trat in sein Zelt ein, ließ den Vorhang am Zeltschlitz hinter sich wieder zufallen und blieb stehen. »Was ist?«
    Das war die dunkle Stimme und die kurze Weise zu sprechen, die Tausenden von Dakotakriegern vertraut war.
    Tokei-ihto antwortete nicht schnell. Er wartete, bis der andere sich gesammelt und ihn erkannt haben mußte. Dann sagte er: »Du erkennst mich, Tashunka-witko. Weißt du, daß ich verraten und bis jetzt gefangen war?«
    Tashunka-witko hob langsam die Lider und schaute dem Jüngeren in die Augen. »Was hast du gegeben und versprochen, um wieder frei zu werden?«
    Obgleich Tokei-ihto sich eingestehen mußte, daß sein Revolver im Gürtel und sein Auftreten gegenüber der Frau jeden Verdacht rechtfertigten, wurde er doch dunkel im Gesicht vor Zorn. »Meine Unterschrift, auf die Reservation zu gehen, gab ich, Häuptling Tashunka- witko.«
    »Als Scout und Polizist der Langmesser?«
    »So würdest du nicht sprechen, Häuptling, wenn du mir gar nicht mehr vertrautest.«
    »Tokei-ihto!«
    Die beiden Männer sagten nichts weiter. Sie standen sich lange gegenüber. Ihre Gedanken und ihr Fühlen rangen miteinander, begegneten sich und fanden endlich wieder zueinander. Sie standen zusammen unter einem Joch, das beiden schwer auf den Nacken drückte.
    Endlich löste Tashunka-witko sich vom Platz. Er ging mit zwei Schritten auf den anderen zu, mit zwei langsamen, beinahe behutsamen Schritten ging er zu

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