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Über den Missouri

Über den Missouri

Titel: Über den Missouri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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gesiegt und hatten die Langmesser, die uns angriffen, erschlagen, aber neue Scharen rückten heran, und wir bekamen keine Munition mehr. Wir teilten uns, um dadurch auch die Langmesser zu spalten und irrezuführen.
    Tatanka-yotanka zog im Schutz eines Präriebrandes, den er selbst hatte anlegen lassen, nordwärts; ich weiß nicht, wohin; ich weiß nicht, wie weit. Wir haben nichts mehr voneinander erfahren. Ich wollte meine Schar vor den Langmessern verbergen und nach Canada führen; wir waren zweitausend. Aber die Verräter überall waren zu viele; und General Miles und seine Männer fanden uns am Tonguefluß, da, wo er einmündet in den Gelbsteinstrom.
    Sie schossen aus dicken Rohren; Feuer und ein Regen von zackigen Splittern töteten unsere Männer und unsere Mustangs. Wir kämpften dennoch. Viele von uns hatten nur noch das Schlachtbeil. Manche von uns wurden gefangen. Wir mußten viele Zelte und die meiste Habe zurücklassen; unsere Mustangs brachen zusammen, unsere Kinder erfroren, unsere Büchsen schossen nicht mehr.
    Unsere Gefangenen kehrten zurück; sie waren satt und berichteten uns von der Güte der weißen Männer. Da wurden die Herzen unserer Krieger traurig, und die anderen Häuptlinge drangen in mich, die Waffen niederzulegen, ehe unsere Kinder alle sterben müßten. Wir haben uns den Langmessern ergeben.«
    Tashunka-witko machte eine Pause, dann zwang er sich weiterzusprechen. »Die Langmesser legten das schöne Gesicht ab und zeigten uns die spitzen Zähne. Durch Schnee und Eis haben sie uns hierher getrieben. Hier hast du uns gefunden, Tokei-ihto. Du hast genug gesehen, und du hast alles gehört. Was planst du?«
    »Die Söhne der Großen Bärin ziehen nordwärts über den Missouri.«
    »Du hast alles gehört.«
    »Hau. In unseren Zelten leben nicht viel mehr als hundert Männer, Frauen und Kinder. Es ist nicht leicht, uns zu finden, und die Langmesser werden ihre Geschütze nicht gegen unser Häuflein auffahren. Ich gehe.«
    »Im Schnee?«
    »Auch im Schnee.«
    »Du wagst es?«
    »Ich habe gesprochen, hau.« Tokei-ihto erhob sich.
    Die Männer umarmten sich noch einmal, und aus den Augen Tashunka-witkos stürzten die Tränen, da er denjenigen, den er sich zum Bruder gewünscht, an diesem Tag gefunden hatte und ihn auch wieder hergab.
    Als die beiden Häuptlinge ihr Bild zum letztenmal mit den Augen aufnahmen und sich zum letztenmal als lebende Menschen am Druck ihrer Hände fühlen konnten, spürten sie auch schon die Kräfte, die sie noch über die Trennung hinweg verbinden würden, und der Jüngere wußte, was er mit sich nahm, um es zu bewahren und fortzupflanzen.
    Tashunka-witko begleitete seinen Gast bis vor das Zelt. Die Sonne sank, die Schatten überdeckten das Land, und der Nachtwind begann zu pfeifen. Der Häuptling gab dem Jüngeren seine Signalpfeife, seine kleine rote Kriegspfeife und ein dünnes Leder. Auf dem Leder war sein Totem verzeichnet, das dem gehören sollte, der Tashunka-witkos Bruder und der Erbe seiner Kraft geworden war.
    »Wenn die Langmesser mich hier ermorden werden«, sagte der Häuptling zuletzt, »so lehre unsere Knaben, daß sie sich ihrer Väter nicht zu schämen brauchen.«
    »Dein Name wird nicht vergessen, Tashunka-witko.« Die Stimme des jungen Dakota war heiser. Seine Hand, die so oft die Waffen geführt hatte, zog sich zusammen.
    Tokei-ihto sprang auf das Pferd, das gut gestriegelt und sanft war und fror. Aber er dachte dabei an seinen Falben. der auf ihn wartete. Er verwahrte das Totem, die Signalpfeife und die Kriegspfeife in dem Wampumgürtel, den er einst als Vermächtnis des verratenen Häuptlings Osceola erhalten hatte.
    Dann trieb er sein Pferd an, um wieder zu der Agentur und zu Johnnys Gaststube hinüberzureiten. Er traf den Delawaren an, der ihm berichtete. Es war so gekommen, wie Tokei-ihto vorausgesagt hatte. Blutiger Tomahawk war mit seinen Leuten beschämt abgezogen. Fred Clarke – Red Fox hatte noch nichts erfahren, auch nicht auf dem Weg über den Sekretär Charly. Schonka hatte seine Alkoholvergiftung überwunden. Er raste und plante, mit drei Mann bei der Bärenbande zu kontrollieren, um Tokei- ihto, der sich unerlaubt entfernt hatte, auf das Fort zu bringen oder ihn, wenn er Widerstand leistete, sofort zu töten.
    Nachdem Tokei-ihto von all dem unterrichtet war, trennte er sich wieder von Tobias.
    Er trieb den Falben an und war den Augen des nachblickenden Delawaren bald entschwunden.
    Der Ritt ging durch leicht verschneites Gelände.

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