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Über den Missouri

Über den Missouri

Titel: Über den Missouri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Tschotanka gesellten sich zu den dreien. Die Männer standen am Flußufer zusammen. Sie schauten alle nach Tschetansapa, der sich zum erstenmal aufraffen konnte und mit noch unsicheren Schritten, aber aufrecht und ohne Hilfe, zu den anderen herbeikam. Ihasapa, der Jungmann, der Späh- und Heroldsdienst zu versehen pflegte, wartete wenige Schritte abseits auf die Anordnungen, die der Häuptling noch geben mußte.
    »Nur acht Zelte – genug für uns alle in der Nacht. Kein Feuer, kein Rauch! Kein Schuß, kein Schrei! Wir verbergen uns.«
    Ihasapa entfernte sich, um den leise erteilten Befehl bei allen anzusagen. Eine Frage, die durch den Befehl noch nicht entschieden war, stellte jetzt der Delaware: »Wie lange bleiben wir?«
    »Wir brauchen Fleisch. Wir jagen Hirsche und Bären. In der achten Nacht ziehen wir weiter.«
    Der Eindruck dieser letzten Entscheidung auf die Männer war offenbar verschieden. Tobias nickte, er war völlig einverstanden. Tschapa sah forschend auf den Häuptling, als wolle er fragen, ob dieser Gefahren vermute, die nach so kurzer Frist weiterzuziehen zwangen. Hatte man die Verfolger nicht abgewehrt? Tschetansapa runzelte die Stirn und schien zu erwarten, daß der Häuptling den Befehl mindestens ihm gegenüber begründe.
    Tschotanka und der Alte Rabe wiegten die Schultern, leise zweifelnd. Tokei-ihto erkannte das alles wohl und erläuterte: »Wir dürfen nicht langsam und nicht müde werden. Auch im Schnee müssen wir weiterziehen, ich habe es euch vorher gesagt. Die Watschitschun wollen uns umzingeln und Treibjagd auf uns machen. Der Wald hier schützt uns vor Sturm und Kälte, aber nicht vor den Langmessern!«
    Der Zaubermann reckte sich, so daß die Aufmerksamkeit des ganzen Beratungskreises sich auf ihn richtete. Langsam begann er, beschwörend: »Die Watschitschun haben sich wieder in ihre Löcher zurückgezogen. Wir sind allein mit unserem Wald und unserem Wild. Warum noch hinaufwandern in den Norden, in unbekannte Prärien, in die Jagdgründe der feindlichen Siksikau? Hier ist unser Land, hier ist unser Platz. Diese Berge sind der Mittelpunkt der Welt und die Heimstatt der Großen Bärin.
    Heilig sind sie allen Kriegern der Dakota. Wir verlassen sie nicht zum zweitenmal. Wir bleiben hier! Die Große Bärin schützt uns.«
    Das Gesicht des Alten Raben leuchtete auf. Die Rührseligkeit des Wiedersehens mit der einstigen Heimat erfüllte ihn. »Hier standen unsere Zelte, hier stehen sie wieder!« unterstrich er die Worte des Zaubermannes. »Schon als wir diese Berge zum erstenmal verließen, als dein Vater Mattotaupa uns fortführte, Häuptling Tokei- ihto, hat das nichts als Unglück über uns gebracht.«
    Tschetansapa stellte sich auf Hawandschitas Seite. »Unser altes gutes Versteck! Von hier aus können wir Männer nachts mit dem Messer zur Soldatenstadt schleichen. Fünf Skalpe sind nicht genug, Tokei-ihto, um uns an den Watschitschun zu rächen. Laßt uns bleiben und weiterkämpfen. Wir haben mit einem Sieg begonnen …«
    Tschapa seufzte kurz auf und wagte die Andeutung eines Achselzuckens über Meinungen, die er für unverständig hielt.
    Der Zaubermann richtete den Blick auf Tokei-ihto, der bisher mit keiner Miene zu den Worten des Alten und den Meinungen der Ratsmänner Stellung genommen hatte.
    Alle warteten darauf, ob der Häuptling dem Zaubermann nachgeben würde.
    »Sprich!« forderte Hawandschita den Häuptling auf.
    »Ich habe gesprochen. In der achten Nacht wandern unsere Zelte weiter.«
    Der Zaubermann überspielte den Angriff auf seine Autorität. »Nach dir, mein junger Sohn Tokei-ihto, werden noch die Geister sprechen. Wir bleiben!«
    Die Krieger erschraken über die Schärfe des Konflikts. Sie waren bestürzt über die barsche Entschlossenheit, mit der der eben zurückgekehrte Häuptling dem alten Zauberer entgegengetreten war. In den Mienen des Tschapa und des Tobias stand Besorgnis um Tokei-ihto zu lesen. Der Alte Rabe gab seiner Entrüstung über das Verhalten eines so jungen Mannes, wie der Kriegshäuptling es noch war, durch hochgezogene Brauen Ausdruck. Tschetansapa mochte tiefer betroffen sein, als er den anderen zu spüren geben wollte. Er hatte bis dahin von dem Plan Tokei-ihtos, nordwärts über den Missouri zu ziehen, noch nichts gewußt.
    Mit einem Blick in die Runde überprüfte der Zauberer noch einmal die Mienen der Beratenden; alle gingen in sich zurück und senkten die Augen bis auf den Häuptling. Hawandschita redete sich selbst ein, daß er mit der

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