Über den Missouri
nicht aufgeschlagen. Der Herold ging umher und gab bekannt, daß eine Stunde nach Mitternacht schon wieder aufgebrochen werden sollte. Es war also Zeit einzuschlafen. Trotzdem saß Hapedah noch mit offenen Augen auf der Felldecke und hielt Ausschau. Ihm war, als ob er am Rand des Lagers Tschaske Breitbeinigs kräftige Jungengestalt habe laufen sehen. Hapedah formte sich einen handlichen, harten Schneeball. Als Tschaske wieder durch das Gesträuch schlich, sprang Hapedah auf und schleuderte seine Schneekugel. Der Getroffene fuhr herum, aber an einen Gegenschlag schien er nicht zu denken. Er verschwand hinter einem Baum.
Hapedah starrte nach der Stelle, an der sein Freund verschwunden war. Er war so beschäftigt mit der Frage, was er nun tun sollte, daß er den Anruf seines eigenen Namens fast überhörte. »Hapedah!« hatte der Vater leise zu ihm gesagt, das wurde ihm nachträglich bewußt, und er wandte sich, um aufmerksam zu hören.
»Geh, Hapedah, hole ihn! Sein Oheim Schonka kommt niemals wieder in unsere Zelte. Hyazinthe ist tot. Tschaske kann von nun an in unserem Tipi bleiben.«
Hapedah nickte überrascht und dankbar. Dann sprang er auf und stapfte durch den Schnee, über Wurzeln und durch Gestrüpp, an den Gruppen der einschlafenden Menschen vorbei zu jener Stelle, wo er den Freund mit dem Schneeball getroffen hatte. Es war am Rand des Lagers, nur wenige Spuren liefen hier noch, und Hapedah konnte die tiefen Tapfen der Knabenfüße erkennen. Er folgte der Fährte in den Wald.
Hapedah hatte noch ein Stück zu gehen, bis er im Schnee eine zusammengerollte Gestalt fand. Wie ein Hund hatte Tschaske sich eingegraben. Als Hapedah bei ihm stehenblieb, setzte sich Tschaske auf; er zog die Beine an, legte die Hände um die Knie und schaute vor sich hin.
»Tschaske Breitbeinig! Wir haben uns zu Blutsbrüdern gewählt in dem Mond, in dem die Erdbeeren reif werden, und heute hat mein Vater gesagt, daß er auch dein Vater sein will. Komm!«
Tschaske sagte nichts. Er erhob sich schwerfällig und ging mit Hapedah zu dem Lager zurück. Tschaske war ein stämmiger Knabe, breiter und etwas kleiner als der schlankwüchsige Hapedah. Tschaske hatte die Angewohnheit, mit gespreizten Beinen zu stehen, und das hatte ihm den Namen Breitbeinig eingetragen. Aber er hatte nicht nur eine gewisse Art, fest auf der Erde zu stehen, er konnte auch flink sein, und im Schnellauf übertraf ihn nur Hapedah. Heute aber merkte man nichts von seiner Geschwindigkeit und Kraft. Er ging wie ein Alter. Zögernd blieb er mit Hapedah vor Tschetansapas Lager stehen. Der Krieger sah ihn an.
»Mein zweiter Sohn!«
Da nahm Hapedah seinen Bruder bei der Hand, und die Knaben legten sich hin und wickelten sich zusammen in die Felldecke. Sie zogen sie bis über den Kopf. Beide spürten, wie die Mutter Mongschongschah noch Schnee über sie warf, damit sie wärmer lagen. Es war einigermaßen behaglich, auch ohne Feuer und ohne Zelt. Der Schlaf überwältigte die beiden im Umsehen.
Als Tschapa die Decke aufschlug, fuhren die Buben in die Höhe, und sie wunderten sich im stillen, daß sie schon drei Stunden geschlafen haben sollten. Es kam ihnen vor, als seien sie eben erst eingenickt. Aber es mußte doch so sein, wie der Biber lachend sagte, denn der Mond war schon aufgegangen, und im Lager wurde es unruhig.
Die Frauen holten die Pferde, um ihnen die Lasten wieder aufzuladen. Widerwillig folgten die Tiere, auch sie waren noch müde.
»Wie wär’s mit einem Nachtbad?« schlug Tschapa vor. »Morgenbad kann ich heute schlecht sagen. Wie wär’s? Oder seid ihr noch zu hungrig und zu verfroren?«
Nein. Sie hatten jeder eine Krähe aufgegessen, und sie trauten sich, ins kalte Wasser zu gehen. Sie freuten sich auf das Bad, da sie auf der Reservation nicht einmal genug Wasser zum Waschen gehabt hatten.
Mit dem Krieger, der trotz seines Hinkens erstaunlich schnell vorwärts kam, liefen sie zum Fluß hinunter. Da sahen sie schon Männer und Knaben, die im Mondschein in das Eiswasser sprangen, das in der mittleren Rinne dahinschoß. Die Jungen warfen die umgeschlagenen Decken ab, rannten durch das spritzende Wasser bis zur Mittelrinne und schossen wie die Hechte in die kalte Flut. Kraulend ließen sie sich ein Stück abwärts tragen und kamen dann wieder heraus. Das Wasser perlte an ihrem gut eingefetteten Körper ab. Sie rieben sich mit Sand, um sich zu reinigen, und holten wieder ihre Decken.
Eingehüllt liefen sie zu dem Baum zurück, bei dem die Familie
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