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Über den Missouri

Über den Missouri

Titel: Über den Missouri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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ihr roten Brüder erhoben habt, noch viel größer gewesen, und zweitens verstehst du davon gar nichts. Er ist ein Teufelskerl und will nicht nur davonlaufen; er brütet blutige Rache, die Weiber haben es erzählt, und es ist ja auch ganz klar und selbstverständlich. Aber darauf kommt’s noch nicht einmal an. Was kümmert es uns, wenn dreißig oder sechzig nach Canada davonrennen und sich unterwegs etliche Skalpe mitnehmen! Davon redet niemand als die alten Weiber.
    Aber wenn Crazy Horse von der Geschichte hier erfährt, und ich will mich an meinem eigenen Halstuch aufknüpfen, wenn er nicht schon einiges weiß, dann versucht er, mit seinen zweitausend wieder abzurücken, und morgen werden es vielleicht schon zehntausend sein, die ausbrechen, und der Aufstand ist da! Noch viel wichtiger aber ist etwas anderes, das begreifst du natürlich nicht.
    Roach will Major und Schonka will Polizeihäuptling werden, und da muß man die Sache ein bißchen aufblasen, bis sie dick und mächtig wird und vielleicht sogar in den Zeitungen steht. Dafür reiten wir in der Prärie umher und schlagen uns mit diesen abgebrühten und raffinierten Kerlen! Der Tokei-ihto selber ist ein Raubtier, das man totschlagen soll, wo man es findet, und in seiner Meute hat er noch ein paar Bestien, zum Beispiel den hochnäsigen Tschetansapa! Der war am Little Bighorn gegen Custer dabei, das büßt er noch! Am Yellowstone-River haben wir einen Crazy Horse abgefangen, am Yellowstone-River ist auch Tokei-ihtos Ende.«
    »Habt ihr wieder Artillerie dabei?«
    »Wir können doch nicht Artillerie auffahren wegen einer Handvoll Flöhe, die schon davonhüpfen, ehe man ein Geschütz in Stellung hat. Müssen sehen, wie wir sie auf einfache Weise fangen und zerknacken, und dann müssen wir uns daran halten, daß nicht nur die Großen ihren Vorteil haben von dieser Sache, sondern unsereiner auch etwas abschleckt von der Zuckerstange. Jawohl!«
    Der Dragoner, der sein Tier im Eifer des Gesprächs angehalten hatte, setzte es wieder lagerwärts in Bewegung. Tschetansapa wollte ihn reiten lassen, ohne ihm zu folgen, aber der Geschwätzige ließ ihn nicht los. Er gab dem Gaul des Dakota einfach einen Klaps, so daß das Tier mitlief, und Schwarzfalke wagte es nicht, sich widerspenstig zu zeigen. Auch war es vielleicht nützlich, erst einmal mitzureiten und zu sehen, wie die Pferde untergebracht würden.
    Der Dakota hatte schon beobachtet, daß die Truppe sich die Koppel zunutze machte, die die Schwarzfüße für ihre Tiere gebaut hatten. Schwarzfalke wunderte sich, daß die Siksikau sich die Mühe gemacht hatten, den starken Zaun zu errichten. Das ließ darauf schließen, daß sie sich bewußt waren, in fremden Jagdgründen zu sein, und daß sie einen Pferdediebstahl befürchteten.
    Die Koppel, die etwa zwanzig Mustangs hatte aufnehmen sollen, war recht weiträumig gebaut, so daß sich auch sehr viel mehr Tiere darin unterbringen ließen. Die meisten Reiter hatten ihre Gäule schon hineingeschafft. Der Zaun war nach Süden zu geöffnet worden, so daß Tschetansapa und seine beiden Begleiter gerade auf die Öffnung zuritten, als letzte von allen. Wenige Meter vom Zaun entfernt stand Anthony Roach, die Reitpeitsche in der Hand.
    Der Capt’n wandte seine Aufmerksamkeit den drei Reitern zu, die absprangen, um ihre Tiere am Zügel in die Koppel zu führen.
    »Heda!«
    Tschetansapa und die beiden Dragoner horchten auf.
    »Heda, jawohl, dich meine ich, du Zylinderträger! Willst du dich einmal bewegen?«
    Der Dakota folgte dem Befehl. Während er seinen Gaul zu dem Befehlshaber hinzog, prüfte er verstohlen die Umgebung und erwog alle Fluchtmöglichkeiten.
    Mit gespreizten Beinen erwartete ihn Roach und musterte ihn von oben bis unten. Als der Blick des Gewaltigen an den Hosenbeinen hängenblieb, die dem Krieger zu kurz waren, wurde es Tschetansapa zumute wie einem Krebs im Kochtopf, wenn das Wasser anfängt heiß zu werden.
    »Du aufgeputzter Fasan! Wo bist du eigentlich gewesen, als wir kämpften? Was?!«
    Schwarzfalke hüllte sich in Schweigen.
    »Nimm sofort deinen blödsinnigen Zylinder ab und sieh mich an!«
    Ehe Tschetansapa der Aufforderung nachkam, hatte Roach schon zugegriffen und dem vermeintlichen General die Zierde seines Hauptes heruntergerissen. Der Dakota ließ den Kopf auf die Brust hängen, um sein Gesicht, das in der Dunkelheit ohnehin schwer zu erkennen war, noch mehr zu verbergen.
    »Hoho! Da steht er wie das leibhaftige schlechte Gewissen! Alter elender

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