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Über den Missouri

Über den Missouri

Titel: Über den Missouri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Herde nicht sofort durchgekommen war, und sprang mit einem wunderbar leichten Satz über den Zaun hinweg. Einige mutige Tiere taten es ihm nach und folgten ihm in wildem Dahinrasen über die Prärie. Zugleich war der Großteil der Herde schon südwärts aus der Koppel hinausgelangt und brauste dahin, geleitet von den schreienden und peitschenschwingenden Kriegern.
    Das alles war das Werk von Sekunden gewesen.
    Die Reiter hörten hinter sich das wütende Bellen der Hundemeute und das Gebrüll bei den Zelten. Schüsse krachten, und Kugeln pfiffen um die Dahinreitenden. Doch niemand konnte die Fortgaloppierenden ernstlich mehr in Gefahr bringen. Die Pferde waren alle ausgebrochen. Die wenigen, die das Tempo der Herde nicht mithielten und von ihren Herren wahrscheinlich wieder eingefangen wurden, waren verwundete Tiere, mit denen nichts anzufangen war. Machtlos und zornbebend mußten die Feinde bei ihrem Lager zurückbleiben. Die Kavallerie hatte sich unfreiwillig in eine Fußtruppe verwandelt.
    Das Wegfangen der Pferde, ein sehr beliebter und oft geübter Streich in der Kriegführung der Prärieindianer, war wieder einmal gelungen.
    Am frühen Morgen nach diesem großen Erfolg saßen Tschetansapa, Chef de Loup, der Biber und der Alte Rabe mit seinem jüngsten Sohn in dem Pappelgehölz an dem Bach, bei dem sich Tschetansapas erstes Versteck befunden hatte. Der älteste Sohn des Raben hatte die größte Pappel erklettert und hielt Ausschau wie in der Nacht zuvor der törichte Tatokano. Antilopensohn und Speerspitze waren mit der großen Pferdeherde unterwegs zum Wanderzug und zu Tokei-ihto. Die Reitpferde der sechs Zurückgebliebenen weideten im Gebüsch. Die Männer hatten ein wenig gegessen und eine Pfeife geraucht und ließen es sich jetzt in der Sonne wohl sein. Weit von der kleinen Gruppe entfernt, am Rand des Gehölzes, lag der gefesselte Tatokano. Tschetansapa hatte noch die Uniform an und spielte mit dem zerbeulten Zylinder. Seine Gefährten brachen bei dem Anblick immer wieder in vergnügtes Lachen aus.
    »Willst du mir nun verraten, schlauester aller Biber«, fing Tschetansapa wieder an, nachdem man die ersten gegenseitigen Mitteilungen über die Erlebnisse bei dem nächtlichen Abenteuer ausgetauscht hatte, »willst du mir nun verraten, warum ich diese Uniform noch tragen muß und warum du unseren Gefangenen so weit ab gelegt hast?«
    »Ja, das will ich dir erklären, dürrste aller Pappeln!« antwortete Tschapa schmunzelnd. »Aber zuerst wirst du mir sagen, wie lange wir uns hier noch aufzuhalten gedenken?«
    »Das kannst du erfahren. Wir bleiben noch den ganzen Tag, um zu beobachten, was Roach in seiner Angst tun wird. Er denkt an das Geschick von Custer, und er fürchtet, daß wir ihn und alle seine Leute töten wollen. Darum verschanzt er sich jetzt, wie der ältere Rabe uns gemeldet hat, und bleibt an seinem Teich und bei seinem Hügel sitzen wie ein Präriehund, der seine Beine verloren hat. Wenn er sich wieder zu laufen getraut, wird er sicher nach Süden zurückmarschieren. Seinetwegen brauchten wir uns hier nicht aufzuhalten.
    Aber gefährlicher als er sind Schonka und seine roten Kojoten. Sie dürsten nach Rache, das ist gewiß, und sie haben die schnellen Füße von Dakotakriegern. Deshalb wollen wir hierbleiben und auf sie aufpassen, und wenn die Nacht kommt, werden wir noch einmal um das Lager herumreiten, schreien und schießen. Dann wird Roach dem Schonka befehlen, bei ihm zu bleiben und ihn zu beschützen, und wir sind auf diese Weise auch Schonka und die anderen Dakota los. Hau.«
    »Dein Rat ist gut. Wir haben mit acht Kriegern und drei Flinten fünfzig Krieger mit fünfzig Flinten von unserer Spur abgehängt und viele Pferde erbeutet, ohne einen Mann zu verlieren. Tokei-ihto wird mit Tschetansapa sehr zufrieden sein. Aber nun will ich, der Schlaue Biber, auch etwas tun. Du weißt, Schwarzfalke, daß du und ich unserem Häuptling auf der Reservation im schlechten Lande heftig widersprochen und ihn sogar beleidigt haben. Darum sollten eben wir jetzt auch die besten Taten vollbringen. Dir ist schon etwas gelungen. Nun kommt mein Streich. Ich habe dir geholfen, also mußt du auch mir helfen.«
    »Ich bin bereit. Ist es aber nicht genug, daß ich deinetwegen schon stundenlang bei hellem Tageslicht diese Uniform anhabe?«
    »Das ist der Anfang. Ich will dir meinen Plan erklären: Du hast uns selbst gesagt, daß Red Fox zu den Nordforts unterwegs ist, um uns in die Klemme zu nehmen. Das ist eine

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