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Über den Missouri

Über den Missouri

Titel: Über den Missouri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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nur billigen, falls sie es beobachteten.
    Als Schwarzfalke so weit gegangen war, daß ihn eine Bodenwelle gegen Beobachtung schützte, machte er halt. Er bückte sich und hob die Hände. Er hatte sein Feuerzeug gezogen und rieb Funken, die sein hageres Gesicht unter der Krempe des Zylinderhutes beleuchteten. Jetzt mußte ein heranschleichender Freund mit Sicherheit begreifen, wen er vor sich hatte. Tschetansapa ließ die Funken versprühen und steckte das Feuerzeug wieder zu sich. Er blieb stehen, um abzuwarten, ob sich etwas rühren werde.
    Er hatte richtig gerechnet. Ein Mann kroch heran und blieb in zwei Meter Entfernung liegen.
    »Bruder?« flüsterte Schwarzfalke mit kaum geöffneten Lippen. »Schunktoketscha!« kam die Antwort ebenso leise, und der andere kroch bis zu Schwarzfalkes Füßen. »Schunktoketscha und vier Krieger.« Der Delaware hatte sich selbst schon daran gewöhnt, seinen Namen in der Sprache der Dakota zu nennen.
    »Bin vorn an der Koppel«, flüsterte Tschetansapa zurück. »Kommt bei mir herein.«
    »Hau.«
    Das Gespräch war beendet.
    Tschetansapa schlenderte weiter und schlug einen Bogen. Langsam kehrte er zu der Koppel zurück und nahm seinen alten Platz wieder zwischen den Pferden am Eingang ein.
    Bald krochen die nur seinem Auge sichtbaren menschlichen Schlangen auf dem Boden heran. Ihre Flinten schoben sie vor sich her. Sie glitten unter dem Zaun durch zu den Pferden herein. Da sie sich mit einem besonderen Duftkraut eingerieben hatten, wurden diese nicht unruhig. Schwarzfalke gab seinen Freunden die letzten Anweisungen: »Die beiden Wachen töten. Schunktoketscha nach hinten. Dann fort mit allen Mustangs.«
    Aus nordöstlicher Richtung erklang deutlich Hufschlag.
    Tschetansapa spähte in die Prärie hinaus. Schonka kam mit seinen Männern von der Verfolgung der Schwarzfüße zurück. Der verkleidete Dakota am Zaun schaute den Herankommenden entgegen. Die drei Reiter führten drei Pferde mit sich, auf denen Indianer, ohnmächtig oder tot, festgebunden waren. Tschetansapa zog rechtzeitig die Stangen heraus, um den Eingang der Koppel frei zu machen, ehe er bei dieser Arbeit zu nahe ins Auge gefaßt werden konnte. Er wartete dann, wiederum durch Pferdekörper gegen zu genaue Besichtigung geschützt. Die Reiter sprangen ab. Schonka und seine beiden Begleiter nahmen die drei toten Dakotapolizisten, die auf den Pferden festgebunden waren, herunter und trieben die Tiere in die Umzäunung.
    Der Mann mit dem Zylinderhut schloß die Koppel wieder, als seine Feinde schon den Zelten zuschritten. Die Toten trugen sie mit.
    Sobald die Ankömmlinge alle in den Zelten verschwunden waren, zog Tschetansapa die Stangen wieder heraus. Die Sache mit den Pferden mußte jetzt gemacht werden. Schon zeigte sich am östlichen Horizont der erste grünliche Schimmer, der den Nachthimmel aufhellte, und der Sternenschein wurde um einen Ton blasser.
    Tschetansapa stellte fest, daß die beiden anderen Wachtposten verschwunden waren. Er ging an den zwischen den Pferden versteckten Freunden vorbei, die ihm die erbeuteten Waffen vorwiesen. »Wo ist der Biber?« fragte er nur schnell. »Bei der Pappel. Dort soll er Beute machen. Es sind noch Maultiere da und Fleisch und Munition in den Zelten, die Roach hat stehenlassen.«
    »Gut. Ihr seid bereit – ich werde pfeifen. Wir treiben die Pferde hinaus; ihr jagt sie an der Pappel vorbei auf der Fährte Tokei-ihtos über den Gelbsteinstrom.«
    Nachdem Tschetansapa seine Anordnungen gegeben hatte, lief er zwischen den Tieren zurück in den hintersten Teil der Koppel. Der Delaware hatte ihn dort erwartet.
    Tschetansapa erklärte ihm noch einmal flüsternd seine Absichten. Dann sprang er auf den Schimmel. Zugleich saß auch Chef de Loup schon auf einem Schecken, den er sich gewählt hatte. Ein heller Pfiff, Tschetansapa gab das Zeichen, und ein mehrstimmiges greuliches Geheul antwortete. Die ledernen Peitschen knallten und klatschten auf die erschreckten Gäule. Schon gingen die vordersten durch. Der Schimmel stieg hoch und schlug aus, und Schwarzfalke, der in einer Hand die Pistole, in der anderen die Peitsche hielt, klemmte sich mit den sehnigen Schenkeln an dem Tiere fest. Unaufhörlich brüllte er.
    Die Herde, die er vor sich hatte, drängte sich angsterfüllt dem Ausgang der Koppel zu. Die Stangen brachen krachend, und die scheuenden Tiere begannen, darüber hinweg in das dunkle Grasland hinauszujagen. Der Schimmel hatte kehrtgemacht, da er nach vorn zwischen der drängenden

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