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Über den Missouri

Über den Missouri

Titel: Über den Missouri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Pferde. Keines der Tiere wurde unruhig. Das war geschafft.
    Der Dakota nahm Deckung im Gebüsch. In den Zweigen einer Weide entdeckte er einen Zylinderhut und eine Uniform mit blanken Knöpfen. Die Uniform war Tatokano beim Klettern wohl hinderlich gewesen, und er hatte sie daher ausgezogen. Tschetansapa schob sich am Boden entlang zum Fuß der Pappel hin.
    Da krachten Schüsse durch die Nacht, und das ganze Lager war sogleich in Aufruhr.
    Der Dakota machte sich seine Gedanken darüber, wer geschossen haben könnte. Entweder waren die Späher von Roach mit den unbekannten Insassen des Lagers zusammengestoßen, das sich im Südwesten des Pappelgehölzes befinden sollte, oder die Kundschafter waren mit Chef de Loup und seinen Kriegern zusammengeraten. Wenn dieses letzte der Fall war, so hatten der Delaware und seine Begleiter irgendeinen Fehler gemacht, denn sie sollten sich nicht entdecken lassen. Das Gewehrfeuer war nicht allzuweit entfernt zu hören gewesen.
    Um zu verstehen, was im Lager vorging, brauchte der Dakota seine Ohren nicht anzustrengen. Es wurde in der Aufregung laut genug gesprochen. Doch erfuhr er aus den Worten nur, daß noch niemand begriff, was geschehen war. Es schien sich jetzt alles am Südrand des Lagers zusammenzudrängen. Ein Gewirr von Stimmen kreiste dort um die zurückgekehrten Kundschafter. Es legte sich, und Roach erteilte mit seiner schnarrenden Stimme Befehle.
    Tschetansapa erfuhr zu seiner großen Überraschung, daß alle Mann – bis auf wenige Posten, die bei den Zelten, Vorräten und Transporttieren zurückzubleiben hatten – augenblicklich mit der Flinte in der Hand nach Südwesten reiten sollten. Dort wolle man »das Lager Tokei-ihtos« zusammenschießen.
    Damit war eine neue Lage entstanden. Gleich würden die Reiter kommen und sich ihre Pferde holen. Die Tiere vorher loszumachen und sie alle oder auch nur eine größere Anzahl davon fortzutreiben, war für einen einzelnen ein Ding der Unmöglichkeit. Schwarzfalkes Plan schien zunichte gemacht.
    Schon kamen die ersten Männer zu den Pferden, um aufzusitzen. Tschetansapa bemerkte auch, wie der Posten von der Pappel herabkletterte und seinen Mustang suchte. Bei dem Anblick kam dem hageren Krieger eine Eingebung. Er zog rasch die Uniform an und setzte den Zylinder auf. Bei der Dunkelheit und dem allgemeinen Hinundherlaufen achtete niemand auf sein Tun. Als Tatokano sein Pferd herbeiführte schlug Tschetansapa ihn nieder. Der völlig überraschte Bursche sank um.
    Tschetansapa sprang auf Tatokanos Pferd. Er ritt zwischen den zurückbleibenden Maultieren, die nur als Transporttiere dienten, und zwischen den Zelten der Dragoner hindurch. Die Truppe formierte sich auf den freien Wiesen. Tschetansapa kam als Nachzügler. Unmittelbar vor sich hatte er indianische Scouts aus anderen Stämmen, die in langer Reihe, Reiter hinter Reiter, ritten. Es konnte nicht weiter auffallen, wenn sich der angebliche Tatokano ihnen anreihte. Tschetansapa richtete es so ein, daß er gerade noch Anschluß gewann, als sich die Reiter schon in Bewegung setzten. Nun hatte ihn keiner mehr im Auge.
    Beim Galopp über die nächtliche Prärie wartete der Krieger mit Spannung darauf, wie sich die Ereignisse dieser Nacht weiterentwickeln würden. Bis jetzt hatten sie einen recht überraschenden Verlauf genommen. Tschetansapa war in die sonderbare Lage geraten, in der Schar seiner Feinde gegen einen unbekannten Gegner zu reiten.
    Während er auf seinem Mustang über den harten Grasboden und die letzten Schneeinseln dahinflog und seinen Vorreiter beobachtete, überlegte er. Dieses Lager, das Roach jetzt überfallen lassen wollte, war nicht das wirkliche Lager Tokei-ihtos, soviel stand für Schwarzfalke fest.
    Wenn sich aber überhaupt jemand bei den rätselhaften Lagerfeuern befand, woher waren diese Leute gekommen? Die Späher Tokei-ihtos hatten am Vortag noch nirgends etwas von ihnen bemerkt. Roach, der einen Tag später gekommen war, hatte sie entdeckt, und Schonka hatte zwei Kundschafter nach ihnen ausgesandt, die in ein Feuergefecht verwickelt worden waren. Die beiden Späher hatten gemeldet, daß es sich um Tokei-ihtos Lager handle, und also waren die etwaigen Insassen zum mindesten Indianer.
    Dakota gab es in dieser Gegend nicht mehr. Aber vielleicht waren Absaroka aus ihren Schlupfwinkeln im hohen Felsengebirge herabgekommen, um in den leeren Jagdgründen zu jagen, oder die Assiniboine oder die Schwarzfüße hatten einen ihrer Streifzüge in das Grenzgebiet

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