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Über den Missouri

Über den Missouri

Titel: Über den Missouri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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»Euer Bär kommt in die Flegeljahre.«
    Er lächelte, aber es war ein Lächeln über einem tiefen Ernst. Auch Adams wußte nur zu gut, daß neuer Streit und neue Gefahr lauerten.
    Das Vieh hatte sich unterdessen beruhigt. Es weidete oder legte sich wiederkäuend ins Gras. Die Hunde erhielten Abfälle von zwei Antilopen, die der Delaware erlegt hatte, und sättigten sich.
    Leise murmelte der Bach, der zu einer Scheidelinie geworden war. Vor dem Zauberzelt fanden sich Hawandschita, Tschetansapa, Tschapa und Chef de Loup zusammen, und es fanden sich noch zwei angesehene Männer bei ihnen ein. Der Zaubermann forderte die Krieger auf, in sein Tipi einzutreten. Die Bärenknaben beobachteten diese Vorgänge. Stumm warteten sie miteinander, was die Beratung im Zelt der Geheimnisse erbringen werde.
    In dem Zelt, das die Männer zu der Beratung mit Hawandschita betreten hatten, war es dämmrig, fast dunkel. Der greise Hawandschita schickte die Frau, die das Feuer bis zu milder Glut angefacht hatte, hinaus, um mit den Männern allein die Geheimnisse zu besprechen. Tokei-ihto und Untschida, seine alten und mächtigen Gegner, brauchte er jetzt nicht zu fürchten; sie waren jenseits des Stromes geblieben.
    »Nun, so sagt, was ihr denkt«, begann der Zauberer, als sich alle im Kreis um die Feuerstelle niedergelassen hatten. Der eine der Ratsmänner räusperte sich. »Keine Büffel!« Der zweite nickte. »Belogen hat uns Tokei-ihto!« Der erste fuhr fort: »Wir werden zu den Watschitschun gehen und wieder um Land und Essen bitten müssen wie zuvor. Diese gefleckten Büffel, die jenseits des Baches weiden, stinken, und wenn wir sie dennoch essen wollen, sind bald alle getötet und verzehrt. Was dann? Von Antilopen und Hirschen allein können wir nicht leben.«
    Der erste erhob die Stimme laut: »Das also ist das Ende unseres langen Weges und unserer großen Taten!«
    Als Tschetansapa alle diese Worte gehört hatte, brach der Zorn aus ihm heraus. »Rufe deine Geister, Hawandschita, und hole wilde Büffel herbei, wenn du etwas vermagst! Laß uns träumen, wo die Büffel ihres Weges ziehen – laß uns träumen, wohin wir reiten sollen, wo das Brüllen der Büffel erschallt, wo ihre Hufe stampfen, wo wir unsere Pfeile abschnellen können! Trommle und sprich mit deinen Geistern, damit wir erfahren, wo wir jagen und leben werden, wie unsere Väter und die Väter unserer Väter taten!«
    Hawandschita hatte sich verändert, während er auf Tschetansapas heftige Worte lauschte. Hoffnung hatte ihn gepackt und Angst. Da kam es wieder auf ihn zu, das fordernde Rufen der Männer, daß er zaubern müsse, und er spürte doch mit Schrecken, wie ihm mehr als je die Kraft dazu fehlte. Aber er wollte seine Schwäche noch immer verbergen. Hawandschita mußte er sein, der Mann der Geister und Geheimnisse, nicht irgendeine Lumpenhaut, die noch um Knochen hing.
    »Ich werde trommeln, ihr tanzt den Büffeltanz«, sprach er zu den Kriegern. »Die wilden Büffel werden kommen, wenn nicht der falsche und üble Gestank dieser gefleckten Büffel sie fern hält. Geht und tanzt. Ich habe gesprochen.«
    Die Krieger erhoben sich und verließen das Zelt.
    Hapedah und Tschaske, die noch am Bach saßen, sahen, wie die Krieger aus dem Zauberzelt kamen. Sie beobachteten, wie alle Männer verständigt wurden und wie sie sich auf dem Platz vor dem Tipi Hawandschitas versammelten. Nur der Delaware hielt sich fern; er ging zu Adams.
    Der Geheimnismann rührte die Trommel. Die Männer traten zum Kulttanz an, und das gemeinsame Gebetlied erscholl in denselben gleichmäßigen Rhythmen wie einst am Plattefluß zu den Zeiten Mattotaupas, des Vaters Tokei-ihtos:
    »Guter Geist, gib uns Büffel, Büffel, Büffel!
    Büffel, Büffel, Büffel gib uns, guter Geist!«
    Die Krieger stampften den Tanz im Kreis, sie ahmten das Brüllen der Büffel nach. Diejenigen, die Büffelhörner und Büffelfelle besaßen, trugen sie, als ob sie Büffel seien. In Abständen ließen sie als Jäger den wilden Büffeljagdruf erschallen.
    Dieser Ruf ging den Knaben durch Mark und Bein. Büffeljäger zu werden, das hatten sie selbst geträumt vom vierten Lebensjahr an.
    Der Tanz währte Stunde um Stunde. Die Männer lösten sich ab.
    »Guter Geist, gib …«
    Plötzlich schrie einer der Männer auf. »Die Toten und die Büffel kommen wieder …!«
    Der Ruf wurde aufgenommen, viele wiederholten ihn. »Die Toten und die Büffel kommen wieder!«
    Heftiger stampften und sangen die Männer.
    Auch in Hapedahs

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