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Über den Missouri

Über den Missouri

Titel: Über den Missouri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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hatten.
    Ja, Thomas und Theo hatten in den Prärien der Schwarzfüße gelebt und hatten nicht nur Tokei-ihto, sondern auch Donner vom Berge als Knaben gekannt; im Zelt Mattotaupas, des Vaters Tokei-ihtos, hatten sie Büffellende gegessen, so zart und köstlich, wie es sie jetzt nur noch in den ewigen Jagdgründen geben konnte. Bei des Adams Vater, dem Alten Adam Adamson, hatten die Zwillinge später als Rinderhirten gedient, und Tokei-ihto, der damals als ein junger Bursche noch Harka Steinhart Nachtauge Büffelpfeilversender Bärentöter hieß, hatte ihnen einmal bei der Wolfsjagd beigestanden.
    »Ein großartiger Bursche ist euer Häuptling damals schon gewesen …! Ein Pfeilschütze …!« Thomas gab seiner Hochachtung mit einem Pfiff Ausdruck. »Mattotaupa aber war ein edler Mann, wie man unter Tausenden kaum einen findet. Es hat lange gewährt und vieler schändlicher Listen bedurft, bis Red Fox ihn ganz zermürben und endlich ermorden konnte … `s ist wahr, Theo und ich haben dann am Niobrara gegen euch Dakota gekämpft. Aber als Red Fox euren Häuptling verriet, wollten wir nicht mehr mitmachen!«
    Thomas und Theo versuchten die bösen Erinnerungen abzuschütteln. »Kommt, Bärenknaben, wir beide werden noch einmal jung mit euch! Es ist alles kaum zwölf Jahre her, und Tokei-ihto ist ja auch erst vierundzwanzig … Und doch ist heute alles schon wie ein Traum … es war ein bunter Traum, böse und gut … und wenn wir zusammen Rancher werden, ihr Indian Cowboys, können wir euch Sommer und Winter abends erzählen …«
    Die Augen der Bärenknaben leuchteten. Hier mit Thomas und Theo zusammen fühlten sie sich nicht fremd und vertrieben.
    Zu Füßen der Waldberge, auf den freien Wiesen am Waldrand, ließen sich die neuen Viehzüchter mit ihrer Herde nieder. Es war hier alles noch herrenloses Land. Sie konnten lagern und mit ihrem Vieh umherziehen, wie es ihnen beliebte. Den ersten Standort wählten sie an einem kleinen Bach, der von Hügeln herab aus dem Wald kam und sich durch die Wiesen schlängelte. Hier war gut sein. Das Vieh hatte Wasser und kräftiges Gras, die Menschen Wiese und Wald für warme und kalte Tage; Holz gab es genug. Das Wasser wimmelte von Fischen und der Wald von Wild. Nur wilde Büffel waren nirgends zu erspähen.
    Von Tag zu Tag, ja von Stunde zu Stunde warteten die Bärenknaben und Ihasapa jetzt auf die Ihren. Immer saß einer von ihnen auf dem höchsten Baumwipfel und hielt Ausschau nach dem fernen Missouri. Endlich war es soweit. Der Jubelruf Tschaskes schallte hell und siegesgewiß durch die friedliche Stille. Als der Junge vom Baum heruntergeklettert war, fand er unten schon seinen Bruder Hapedah und Ihasapa mit den Pferden; alle drei schwangen sich auf und jagten wie der Wind über die Prärie, dem Wanderzug entgegen. »Hi-je-he! Hi-je-he!«
    Noch hatten sie die Wandernden nur wie eine lange dunkle Schlange in den Prärien erkannt. Noch konnten sie die einzelnen nicht unterscheiden. Aber sie galoppierten einem Hügelkamm zu, oben rissen sie die Pferde hoch und jauchzten. Dann ließen sie ihre Tiere einen Augenblick stillstehen und spähten.
    Sie sahen Krieger, die vor dem Zug auf ihren Mustangs umherschwärmten. Tschetansapa führte die Schar. Er ritt den Beuteschimmel. Chef de Loup war dabei mit seinem Schecken und Tschapa auf seinem Braunen. Hinter der kleinen Kriegerschar schritt Hawandschita zu Fuß an der Spitze des Zuges. Er trug nach alter Sitte den Speer in der Hand. Sein Rücken war steif und sein Nacken starr, aber seine dürren Beine gingen noch wie von selbst in dem wiegenden Gang, in dem sie seit fast einem Jahrhundert durch die Wälder und über die Prärien gewandert waren. Nach ihm folgte Pferd um Pferd mit den Frauen und Kindern und mit den Lasten. Am Ende des Zuges jagten die Freunde Hapedahs und Tschaskes, die Jungen Hunde, alle jene Dragonergäule, die nicht als Reit- oder Lasttiere in Anspruch genommen waren.
    Was gab es Herrlicheres als die Gewißheit, daß die Söhne der Großen Bärin ihren langen, verlustreichen Zug glücklich beendet hatten und in den freien Prärien zu freiem Tun angelangt waren?
    Die Bärenknaben hatten wohl bemerkt, daß sich Tokei-ihto, Untschida und der Schwarzfuß Donner vom Berge nicht bei dem Zug befanden. Vielleicht waren die beiden Häuptlinge als Nachhut zurückgeblieben. Ob Untschida noch lebte?
    Die Bärenknaben und Ihasapa ritten zu den Ihren. Sie lenkten auf Tschetansapa zu, der haltgemacht hatte. Der ganze Zug kam zum

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