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Über den Missouri

Über den Missouri

Titel: Über den Missouri Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Uinonah, die erstgeborene Tochter. Die Frau schaute einen Augenblick prüfend nach dem Reiter, dann ging sie schnell in das Zelt zurück.
    »Was willst du?« fragte eine Stimme scharf. Die Gedanken des Dakota, die einen Augenblick weggelaufen waren, kehrten zurück.
    »Wo ist der Diensthabende?« erkundigte er sich vom Pferd herab.
    »Was willst du?« fragte der Unteroffizier nochmals.
    »Kurierpost!«
    Der Unteroffizier wies mit dem Daumen über die Schulter auf eine Tür. »Capt’n Elsworthy.«
    Tokei-ihto hängte seinen Falben an. Ohitika blieb dabei sitzen. Der Dakota selbst begab sich in das Dienstzimmer und legte das versiegelte Schreiben auf den Tisch.
    Der Offizier, ein jüngerer Mensch mit einem soldatischen Durchschnittsgesicht, betrachtete das Datum.
    »Du bist ja schnell geritten, Donnerwetter!« Er las. »Aha – hm, hm – na ja – So ganz verrucht, wie ihr das am Niobrara noch zu fürchten scheint, geht es bei uns aber nicht mehr zu. Haben die Bande jetzt an der Kandare, und sobald wir mit diesem Crazy Horse fertig sind, werden sie alle in die Reservation getrieben. – Wann reitest du zurück?«
    »Habt Ihr Aufträge?«
    »Der Kommandant vielleicht. Halte dich morgen früh bereit!« Der Offizier schrieb eine Notiz auf einen Zettel. »Hier – du bekommst solange Verpflegung bei uns und Futter für deinen Gaul. Von welchem Stamm bist du?«
    »Matto.« Das hieß Bär. Der Dakota rechnete damit, daß der Offizier das Dakotawort nicht kannte.
    »Matto? Ganz kleiner Stamm, was? Sprichst du auch Dakota?«
    »Ja.«
    »Du hast einen freien Tag vor dir. Treibe dich draußen etwas herum und horche, was die Dakota zu grunzen haben, wenn sie unter sich sind. Die Leute von Crazy Horse sind eben erst angeliefert worden und schwierig. Der sogenannte Häuptling hetzt ohne Zweifel; er will nicht in unser Fort hereinkommen. Wir müssen ihn überwachen.«
    »Ja.«
    Tokei-ihto nahm die Verpflegungsanweisung. Der Offizier nickte verabschiedend, und der Indianer ging hinaus. Zuerst sorgte er dafür, daß der Falbe Futter bekam, überredete auch den Kantinenwirt, Knochen für Ohitika abzugeben. Ihm selbst war nicht nach Essen zumute; er hatte nur Durst und beschied sich mit einem Tee. Der Wirt schüttelte den Kopf.
    Der Dakota hatte nicht nur einen Tag vor sich, er hatte auch einen Auftrag für diese Zeit, der in seine Pläne paßte. Er schlenderte zum Haupteingang, wo weiterhin Lebensmittelrationen ausgegeben wurden. Dieses Geschäft würde sich bis zum Abend und nach dem, was zu hören war, auch noch über den nächsten Tag hinziehen.
    Bei der Gruppe der Weißen stand ein junger Mann in Zivil. Er war sehr gut gekleidet, nach Art eines vermögenden Geschäftsmannes, und Tokei-ihto suchte in seinem Gedächtnis, wo er diesen Mann schon einmal gesehen haben könnte. Aber obgleich er ein ausgezeichnetes Personengedächtnis besaß, suchte er vergeblich in seinen Erinnerungen.
    Er blieb einen Augenblick in der Nähe des jungen Mannes stehen und fing auf, daß dieser mit dem Namen Finley angeredet wurde, was dem Dakota jedoch auch nichts sagte.
    Der Weiße wurde aber auf den Indianer aufmerksam. Daß der Indianer Kurier war und englisch sprach, mußte er mit angehört haben.
    So redete er ihn sofort sicher und mit einer Art Vertraulichkeit an, wie sie der Herr dem Diener zeigt.
    »Willst du dir etwas verdienen?«
    »Wieviel?«
    Finley junior lächelte. »Du kannst einen Geschäftsmann abgeben! Ich suche so nebenbei echte indianische Stücke. Wampumgürtel, Köcher, bemalte Decken, Adlerfedern, bestickte Röcke, präparierte Skalpe! Möglichst von Leuten mit bekannten Namen! Das ganze Lederzelt dort würde ich kaufen! Dazu so etwas wie eine Echtheitsmarke, ein Totem, sagen wir von Red Cloud oder von Crazy Horse, den Schlachtteilnehmern am Little Bighorn! Ich habe schon als Kind eine Schwäche für Indianerhäuptlinge gehabt.«
    »Sie waren mit diesem Gelichter und Mordgesindel damals noch nicht näher bekannt geworden«, bemerkte der Manager, der neben Finley stand und Liefermengen notierte.
    Finley opponierte, nicht aus Überzeugung wie einst als Kind, aber aus Sport. »Offen gestanden, ich habe mal einen Indianerjungen gesehen, der wirkte wie der Sohn eines Lords.«
    »Ah – im Zirkus«, erriet Tokei-ihto.
    »So ist’s«, rief Finley junior. »Wahrhaftig! Du besitzt den sechsten Sinn, Rothaut. Du bist der richtige Mann für mich. Die Indsmen hier sind verdammt verstockt und verbockt. Sie tun, als ob sie kein Wort verstehen

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