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Über den Wassern

Über den Wassern

Titel: Über den Wassern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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weiter diskutierten, und ging unter Deck. Kaum war er in seiner Kabine, griff er nach der Taubkrautflasche. Acht Tropfen, neun, zehn, elf... ach, gönnen wir uns diesmal ein Dutzend? Ja. Ja, ein Dutzend. Und zum Teufel! Die doppelte Dosis... das würde allem den schmerzenden Stachel nehmen.
    »Val?« Die Stimme Sundiras an seiner Kabinentür. »Ist alles okay?«
    Er ließ sie eintreten. Ihre Augen streiften das Glas in seiner Hand und wanderten dann wieder zu seinem Gesicht zurück.
    »Himmel, du leidest ja wirklich drunter.«
    »Als hätte man mir ein paar Finger abgehackt.«
    »Haben sie dir dermaßen viel bedeutet?«
    »Einige schon.« Das Taubkrautelixier begann zu wirken. Er spürte, wie der scharfe Schmerz dumpfer wurde. Seine eigene Stimme kam ihm pelzig vor. »Die anderen waren nur Menschen, die ich kannte, Teil des Insel-Ambiente, gute altvertraute Gesichter. Einer war mein Schüler.«
    »Jose Yanez.«
    »Du hast ihn gekannt?«
    Sie lächelte traurig. »Ein bezaubernder Junge. Einmal, ich war schwimmen, und er kam auch ins Wasser, und dann redeten wir ein bißchen. Meistens über dich. Er hat dich richtig angebetet, Val. Mehr noch sogar als seinen Bruder, den Seefahrer.« Dann flog ein Schatten über Sundiras Gesicht. »Ich mach die Sache für dich nur schlimmer, nicht besser.«
    »Nein - nicht wirklich.«
    Inzwischen war seine Zunge schwer und dick geworden, und er begriff, er hatte sich eine zu hohe Dosis verabreicht.
    Sie nahm ihm das Glas aus der Hand und stellte es beiseite.
    »Es tut mir leid«, sagte sie. »Ich wollte, ich könnte dir helfen.«
    Dann komm doch, näher, ganz nah, wollte er sagen, und konnte es irgendwie nicht.
    Aber sie schien ihn auch so verstanden zu haben.
    ZWEI TAGE LANG ankerte die Flottille mitten im Nirgendwo, während Delagard Dag Tharp im Nacken hing, damit der sämtliche Funkfrequenzen durchcheckte, um die Golden Sun zu orten. Er bekam Funkstationen auf einem halben Dutzend Inseln herein, er fing die Funksignale eines Schiffes namens Empress of Sunrise auf, das im Fährverkehr im Azur-Meer verkehrte, und eine schwimmende Bergwerksstation weit droben im Nordosten, deren Existenz alle überraschte und für Delagard nicht gerade eine erfreuliche Nachricht war. Doch von der Golden Sun fing Tharp nicht das kleinste Flüstern auf.
    »Also gut«, sagte Delagard schließlich. »Wenn sie noch auf Kiel sind, finden sie vielleicht ‘ne Möglichkeit, sich mit uns in Verbindung zu setzen. Wenn nicht - dann können sie eben nicht. Nur wir können hier nicht ewig weiter herumhocken.«
    »Werden wir je erfahren, was mit ihnen passiert ist?« fragte Pilya Braun.
    »Wahrscheinlich nicht«, antwortete ihr Lawler. »Der Ozean ist groß, und er steckt voller Gefahren, von denen wir nicht die geringste Ahnung haben.«
    »Aber wenn wir wüßten, was sie erwischt hat«, sagte Dann Henders, »hätten wir ‘ne bessere Chance, uns selber zu schützen, wenn das nochmal kommt und uns holen will.«
    »Wenn wir auf das stoßen, was immer sie vielleicht erwischt hat, und es will uns erwischen«, sagte Lawler, »dann werden wir eventuell erkennen, was es war. Nicht vorher.«
    »Dann laßt uns bloß hoffen, daß uns diese Erkenntnis erspart bleibt!«

7
    AN EINEM TAG voll dichten Nebels und heftig wogender See tauchten unbekannte trapezoidförmige Geschöpfe mit dicken, zackenbewehrten grünen Rückenpanzern längsseits des Schiffes auf und begleiteten es eine Weile. Sie sahen aus wie schwimmende Vorratstonnen, die sich Schwimmflossen zugelegt hatten.
    Die Panzerköpfe waren flach und breit, mit zugespitzten Schnauzen, und als Augen hatten sie nackte kleine weiße Schlitze. Ihre ausladenden Unterkiefer sahen erbarmungslos aus. Lawler stand an der Reling und beobachtete die Erscheinung, als Onyos Felk zu ihm trat und sagte: »Kann ich dich mal für ‘ne Minute sprechen, Doc?«
    Felk entstammte wie Lawler einer Ersten Familie, doch diese Tatsache galt nicht mehr viel, seit die Gemeinde in See gestochen war. Der Kartograph war so um die Mitte fünfzig, ein mürrischer, kurzbeiniger, schwerknochiger kleiner Mann, der nie ein Weib genommen hatte. Angeblich wußte er eine Menge über hydranische Planetographie und die entsprechende Ozeanographie, und wenn es im Verlauf der Jahre anders gekommen wäre, hätte sehr leicht Felk es sein können, und nicht Nid Delagard, der die Sorve-Werft kontrollierte, aber die Felks waren berüchtigt für ihr Pech und - für ihre Fehlentscheidungen.
    »Geht es dir nicht gut,

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